Der entrechtete Flugpassagier

Deutschland sollte die geplante EU-Reform kritisch prüfen

Düsseldorf. Für Urlauber und Geschäftsleute sind Flugverspätungen Alltag und lästig. Deshalb sollten bei längeren Wartezeiten Entschädigungen — zumindest Essen, Trinken und eventuell eine Nacht im Hotel — selbstverständlich sein. Dass sich offenbar Fluggesellschaften um diese Zahlungen drücken, ist nicht fair. Allerdings ist das Verhalten aus deren Sicht nachvollziehbar.

Sie unterliegen einem enormen Konkurrenzdruck. Um Geld zu sparen, kalkulieren sie ihre Flugzeiten so eng, dass jede Störung gleich eine Folge von Verspätungen nach sich ziehen kann. Die Entschädigungen gingen ganz schön ins Geld. Und seien wir ehrlich: Durch unser Schnäppchendenken, bei dem wir auf Flüge hoffen, die billiger als jede Bahnfahrt sind, haben auch Verbraucher den Druck auf die Airlines mit verursacht.

Insofern ist bei der Beurteilung der EU-Reform positiv zu sehen, dass — wie es im Bürokratendeutsch heißt — die Lücke zwischen Rechtsanspruch und Rechtswirklichkeit geschlossen werden soll, also hoffentlich stets wirklich Geld fließt. Allerdings mutet die EU den Passagieren ganz schön viel zu, wenn es erst ab fünf Stunden Verspätung eine Entschädigung gibt. Und den finanziellen Verlust wegen des gescheiterten Geschäftstermins oder des entgangenen Spaßes bei der Familienfeier kann einem in Wirklichkeit sowieso niemand ersetzen.

Wenn bei sehr langen Flügen sogar bis zu zwölf Stunden Verspätung toleriert werden, muss sich die EU fragen lassen, ob hier die Lobbyisten der Fluggesellschaften zu erfolgreich Überzeugungsarbeit geleistet haben. Die Bundesregierung sollte noch mal genau prüfen, ob sie diese Änderung wirklich so übernehmen will. Die Passagiere würden es ihr danken.

Bei einem anderen Aspekt will Berlin ja bereits nachbessern. Das ist der Vorschlag, dass die Gesellschaften ihre Gäste bis zu fünf Stunden in einer auf der Rollbahn stehenden Maschine festhalten dürfen. Fünf Stunden eingepfercht in schlechter Luft herumzusitzen, ohne dass man auch nur einen Meter reist, ist eine Horrorvorstellung. Das wäre sogar noch schlimmer als reduzierte Entschädigungsregelungen. Besonders bei diesem Thema muss die Bundesregierung hart kämpfen. Alles andere wäre skandalös.

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