Debatte um Christian Wulff: Häme und Hass haben keinen Wert

Ein Plädoyer für das Ende der Debatte um Christian Wulff

Ein Forschungsergebnis besagt, dass Weltereignisse, selbst vom Ausmaß einer Atom-Katastrophe wie jener von Fukushima, nach zwei Wochen aus dem öffentlichen Interesse verschwinden. Über Christian Wulff und seine Affären diskutiert, streitet und — bisweilen kann der Eindruck entstehen — ergötzt sich Deutschland bereits seit dem 12. Dezember des vergangenen Jahres, also seit beinahe drei Monaten. Die Diskussion überdauert Wulffs Rücktritt und wohl auch die Inthronisation seines Nachfolgers Joachim Gauck.

Es gab nachgestellte Wutanrufe, satirische Schlagzeilen in Vielzahl, es gab Facebook-Gruppen für einen Rücktritt Wulffs, Lieder über die Liederlichkeit des ehemaligen Bundespräsidenten. Und seine Amtsvorgänger verweigern den Besuch des Großen Zapfenstreichs morgen im Park von Schloss Bellevue.

Dass wir uns nicht falsch verstehen: Dies ist kein Plädoyer für Wulff. Die Wut des Steuerzahlers ob einer horrenden — aber eben vereinbarten und rechtmäßigen — Versorgung eines noch jungen Ex-Präsidenten ist verständlich. Ihr Ausmaß und die Form ihrer Äußerung aber sind es nicht. Sie sind unverhältnismäßig. Sie müsste sich abkoppeln von der Person Wulffs, wenn sie Gewicht bekommen soll. So aber ist sie geprägt von Häme und Hass. Es wirft kein gutes Licht auf jene, die so verfahren, oft aus der Anonymität des Internets heraus, manchmal auch offen demokratiefeindlich.

Es gehört auch zu einer demokratisch gesunden Gesellschaft, die notwendige Kontrolle der Macht nicht zu überreizen, wenn die Macht längst auf- und abgegeben ist — und an ihre Stelle ethische Maßstäbe der Bewertung rücken (sollten). Die Gruppe von Wulff-Gegnern „Rücktritt jetzt“ im sozialen Netzwerk Facebook ist trotz ihrer 13 000 Anhänger inzwischen geschlossen. „Das Ziel ist erreicht, ich vertraue jetzt auf die Arbeit der Staatsanwaltschaft“, schreibt der Gründer der Gruppe. Vielleicht sollten wir alle es ihm gleich tun.

Auch ein ehemaliger Bundespräsident hat ein Recht auf Würde. Und er hat ein Recht auf eine rechtsstaatliche Untersuchung seiner Fehlbarkeit, während der genügend Zeit sein sollte, sich die Bedeutung des höchsten Amtes im Staate zu vergegenwärtigen. Im christlichsten Sinne: Es ist genug.

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