Das vertrackte Legalitätsprinzip

Die Gefahr hinter den Haftbefehlen gegen NRW-Steuerbeamte

Glaubt man den Äußerungen mancher deutscher Wahlkämpfer, ist unser Nachbarland Schweiz keine Demokratie, sondern fast schon eine Bananenrepublik — zumindest, was das eidgenössische Rechtssystem betrifft:

Hat sich die alpenländische Justiz doch erdreistet, aus politischen Motiven gegen drei verdiente deutsche Steuerbeamte Haftbefehle zu erlassen, weil diese deutschen Schwarzgeld-Sündern hinterhergespürt haben. Das aber ist nur die empörungsträchtige Stammtisch-Sichtweise.

Bei näherem Hinsehen stellt sich der Sachverhalt nämlich anders dar: Die Aktion der Schweizer Ermittlungsbehörden entspringt gerade keiner politisch motivierten Willkür, sondern ist im Gegenteil ein Beweis für die Rechtsstaatlichkeit der Schweiz. Denn dort, wie in Deutschland auch, gibt es das sogenannte Legalitätsprinzip — eine der Grundfesten des Rechtsstaates.

Es besagt im Kern, dass Staatsanwaltschaft und Polizei ein Ermittlungsverfahren eröffnen müssen, wenn sie Kenntnis von einer möglichen Straftat erhalten. Falls sich dabei der Verdacht erhärtet, muss vor Gericht Anklage erhoben werden.

Nun hat es einen Diebstahl von Bankdaten beim Bankhaus Credit Suisse (CS) gegeben — eben jener Daten, die dann für rund 2,5 Millionen Euro von NRW angekauft wurden. EinTäter wurde verurteilt.

Für die Schweizer Behörden besteht „der Verdacht, dass von Deutschland aus konkrete Aufträge zum Ausspionieren von Informationen der CS erteilt wurden“. Dies wäre nach Schweizer Recht der Straftatbestand Wirtschaftlicher Nachrichtendienst (Artikel 273).

Diesen Verdacht zu klären, sind die Schweizer Ermittler nach dem Legalitätsprinzip verpflichtet — und haben vor Wochen ein Rechtshilfeersuchen gestellt. Die Haftbefehle gegen die drei Steuerfahnder wurden erst erlassen, als die NRW-Behörden keinerlei Neigung zeigten, dem Schweizer Ersuchen entgegenzukommen.

Doch auch das deutsche Verhalten ist verständlich: Das Land muss sich vor seine Beamten stellen. Denn die haben auf jeden Fall weisungsgebunden gehandelt. Doch sollte dieses Handeln tatsächlich strafrechtlich relevant gewesen sein, müssten nach dem Legalitätsprinzip auch deutsche Ermittler tätig werden — bei denjenigen, die die Anweisungen an die Steuerbeamten gaben.

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