Meinung : Steuergerechtigkeit – ein hohes Gut steht auf dem Spiel
Meinung Es geht um unser aller Geld. Darum sollten die Cum-Ex-Prozesse und das Thema Steuergerechtigkeit auch jeden interessieren. Ein Kommentar.
Steuerhinterziehung funktioniert so: Der Steuerpflichtige verheimlicht dem Finanzamt etwas und „spart“ auf diese Weise Steuern. Natürlich liegt in diesem „Sparen“ auch noch etwas anderes – der Betrug an der Allgemeinheit: Dem Gemeinwesen, das für Kitas, Schulen, Straßen, öffentlichen Nahverkehr und vieles andere aufkommt, fehlen die illegal vorenthaltenden Steuergelder. Der Staat muss entweder auf Leistungen verzichten oder aber den ehrlichen Steuerzahler stärker zur Kasse bitten. Das Sparen der Betrüger wird in jedem Fall von den anderen finanziert.
Bei den jetzt vor dem Landgericht Bonn verhandelten Cum-Ex-Fällen geht es um eine noch andere Qualität des Betrugs. Das Handeln der Angeklagten war nicht nur darauf gerichtet, dem Fiskus und damit dem Gemeinwesen etwas vorzuenthalten. Sie griffen ihm aktiv in die Kasse, plünderten diese.
Aktien wurden zwischen mehreren Beteiligten hin- und hergeschoben. So wurde verschleiert, wem die Papiere wann gehörten. Was dazu führte, dass Steuern, obwohl gar nicht gezahlt, zu Unrecht erstattet wurden. Der Schaden war gewaltig. Schätzungen gehen von einer Dimension von mehr als 30 Milliarden Euro in den Jahren 2001 bis 2016 aus.
Zum Vergleich: NRW hatte im Jahr 2019 Steuereinnahmen von 61,5 Milliarden Euro. Oder ein anderer Vergleichsmaßstab: die spektakulären Ankäufe von Steuer-CDs brachten dem Staat etwa sieben Milliarden Euro ein.
Angesichts der gigantischen Dimension des Steuerbetrugs mutet es nachgerade absurd an, dass Juristen sogar noch darüber streiten, ob diese Form des „Den-Staat-übers-Ohr-Hauens“ wirklich strafbar oder aber nur das Ausnutzen einer Gesetzeslücke war. Es wäre schon ein Stück aus dem Tollhaus, wenn sich die Angeklagten in dem ersten und den danach anstehenden Folgeprozessen aus der Verantwortung stehlen könnten, weil sie angeblich auf Gutachten vertrauten, die ihnen die Rechtmäßigkeit ihres Handelns nahelegten.