Meinung Corona-Pandemie: Ausgangssperren? Wir brauchen klare Regeln

Meinung · Ausgangssperren bedeuten einen tiefen Eingriff in die persönlichen Freiheitsrechte des Einzelnen. Es gibt aber auch gute Argumente, die gegen diese Einschränkungen sprechen. Dass ein Mittelweg erlaubt ist, könnte bei dem notwendigen Eingriff hilfreich sein.

 Nur wenige Menschen laufen in der Fußgängerzone in der Freiburger Innenstadt. Die Stadt hat wegen der Corona-Pandemie eine Ausgangssperre für größere Gruppen erlassen. Das Land NRW zögert noch.

Nur wenige Menschen laufen in der Fußgängerzone in der Freiburger Innenstadt. Die Stadt hat wegen der Corona-Pandemie eine Ausgangssperre für größere Gruppen erlassen. Das Land NRW zögert noch.

Foto: dpa/Patrick Seeger

Über „Neuland“ sprach die Kanzlerin das erste Mal 2013, als sie das Internet meinte – und weil das ziemlich spät kam, taugte das Kanzlerwort zum guten Witz. Jetzt aber betreten wir alle wirklich Neuland. Und es ist ernst. Denn die Ausgangssperren, die diskutiert und vereinzelt bereits mit unterschiedlicher Tragweite umgesetzt werden, bedeuten einen tiefen Eingriff in die persönlichen Freiheitsrechte des Einzelnen. Sie sind so in der Bundesrepublik einzigartig.

Es ist aber nur vordergründig erstaunlich, wie viele Menschen diese Selbsthaft als Diktat der Volksvertreter einfordern. Es ist vielmehr nur logischer Ausdruck einer heterogenen Gesellschaft, deren Verzweiflung befeuert wird durch Bilder von Menschen, denen alles Bitten nach Abstand halten schlicht egal ist. Die Gesellschaft versucht sich verzweifelt selbst zu reglementieren und glaubt, daran zu scheitern. Dabei hat sie schon viel geschafft. Nur lässt diese Pandemie in ihrer grundsätzlichen Erfordernis keine Grautöne für Debatten und uneinheitliches Handeln zu. Die Front ist klar: Wir müssen Abstand halten, um Infektionsketten von Mensch zu Mensch zu durchbrechen. Ob infiziert, unwissend infiziert oder gesund: Abstand halten = Leben retten.

Sicher, es gibt auch gute Argumente, die gegen diese Einschränkungen sprechen: Sozialverbände warnen vor Aggressionen, die auf engstem Raum zuzunehmen drohen und sich gegen Familienmitglieder und meist Frauen oder Kinder richten. Und: Nicht jeder, der mit Großgarten nach so drastischen Maßnahmen ruft, kennt die Nöte einer Großfamilie in der Zweizimmerwohnung ohne Balkon. Und: Was hieße Ausgangssperre für ältere und einsame Menschen? Was für Patchwork-Familien? Und wer will sie dereinst aufheben?

Es hilft, dass Grautöne im Grundsatz der Selbstregulierung erlaubt sind. Es gibt etwas zwischen totaler Isolation mit drastischer Ausgangssperre und notwendigem Eingriff mit Weitsicht. Nichts spricht dagegen, Menschen allein oder in Familien-Einheit an die frische Luft zu lassen, notwendige Gänge zu ermöglichen, dafür dann aber eben klare Vorgaben zu machen. Wie auch immer man dieses Vorgehen dann nennt. Viel ändert sich nicht für diejenigen, die schon jetzt vernünftig agieren. Und die Unvernünftigen hätten ein Regelwerk, das einzufordern und zu sanktionieren ist.

 Ein Kommentar von Olaf Kupfer.

Ein Kommentar von Olaf Kupfer.

Foto: ja/Sergej Lepke

Und: Nichts spricht im Übrigen auch gegen Zivilcourage: Wenn bei Ihnen im Haus wieder mal eine Corona-Geburtstagsparty angekündigt ist, dürfen Sie da klingeln, die Geburtstagskinder auf Abstand ordentlich zusammenfalten und dann bei der nächsten Dienststelle verpetzen. Das kann Leben retten.

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