Bundestagswahl: Die Große Koalition nicht wollen dürfen

Ein Kommentar von Alexander Marinos.

Wenn etwas zu Ende geht, erscheint es meist in einem milderen Licht. Das gilt auch für die zweite Große Koalition in der Geschichte der Bundesrepublik. Einige haben es sich in dieser Koalition recht behaglich eingerichtet. Die Bundeskanzlerin zum Beispiel: Dass sie die ihr vom Grundgesetz zugestandene Richtlinienkompetenz in der Praxis nicht ausüben konnte, weil ihr im Kabinett die SPD-Minister auf Augenhöhe gegenübersaßen, war ihr nicht unrecht.

Es entspricht einfach nicht ihrem Naturell, laute (Männer-) Stimmen schrill zu übertönen. Sie wartet lieber ab, bis den anderen die Puste ausgeht, um dann bestenfalls sanft nachzujustieren. In einer schwarz-gelben Koalition müsste Angela Merkel viel deutlicher führen. Will sie das? Kann sie das?

Auch der CSU-Chef trägt unter dem schwarz-gelben Trikot (heimlich?) ein schwarz-rotes. Bei ihm geht es jedoch weniger um machtpolitische Fragen als um knallharte Inhalte. Horst Seehofer hat sein ganzes politisches Leben lang Sozialpolitik betrieben. Es ist kaum vorstellbar, dass ein solcher "schwarz lackierter Sozialdemokrat", wie FDP-Chef Guido Westerwelle sagen würde, einem neuen Wirtschaftsliberalismus den Weg freimacht.

Im Gegenteil: Seehofer gefällt sich darin, aufzuzählen, wie er Westerwelles Programm zerpflücken würde, sollte es im Bund zu Koalitionsverhandlungen mit der FDP kommen. Dass er wie der Ober-Liberale die Steuern kräftig senken will, ist die einzige Gemeinsamkeit. Aber reicht das für ein Regierungsprogramm?

Ausgerechnet Seehofer fordert von der CDU nun mehr Abgrenzung von der SPD. Dieses Manöver ist so durchschaubar wie die harsche Kritik von Renate Künast an Peer Steinbrücks schwarz-roten Liebesschwüren. Schließlich hat die Grünen-Spitzenfrau selbst erst vor wenigen Tagen gesagt, Rot-Grün hätte keine Chance. Haben Seehofer und Künast Probleme mit ihrem Kurzzeitgedächtnis? Das nicht. Aber sie unterstellen es ihren Wählern.

Steinbrück tickt da anders. Er sagt, was er denkt, auch wenn er dem eigenen Kanzlerkandidaten in die Beine grätscht. Denn mit der Aussicht auf eine Große Koalition unter Merkel lassen sich SPD-Anhänger wohl kaum mobilisieren. Je mehr Steinbrück also von einer schwarz-roten Neuauflage träumt, desto unwahrscheinlicher wird sie.

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