Meinung BKA-Fahndung mit Opferfoto - Nicht nur der Erfolg gibt den Ermittlern recht

Von all den menschlichen Abgründen, in die man bei Verbrechen blicken kann, zählt der sexuelle Missbrauch von Kindern zu den tiefsten. Das Thema ist nicht nur dazu angetan, in Internetkommentaren jeglicher Rechtsstaatlichkeit zu entsagen und stattdessen wüste Folter- und Selbstjustiz-Fantasien zu formulieren.

Meinung: BKA-Fahndung mit Opferfoto - Nicht nur der Erfolg gibt den Ermittlern recht
Foto: Sergej Lepke

Selbst unter Strafgefangenen ist hinlänglich bekannt, dass Kinderschänder die unterste Hierarchiestufe bilden und entsprechend in Gefängnissen oft genug rohesten Attacken ausgesetzt sind.

In diesem hoch emotionalen Mienenfeld, gespickt mit unseren Beschützerinstinkten, Projektionen und Versagensängsten, haben Staatsanwaltschaft und Bundeskriminalamt einen Tabubruch gewagt und ein Opferbild aus dem Darknet veröffentlicht: Am Montag gaben sie unverpixelte Fotos eines vierjährigen Mädchens an die Medien und in die sozialen Netzwerke.

Das verstößt, zumal bei einem Kind, eigentlich gegen alle Grundsätze des Opferschutzes. Aber wo so viele Emotionen im Spiel sind, ist es manchmal gut, einen Schritt zurückzutreten und auf den rechtlichen Rahmen zu schauen: Denn das Amtsgericht Gießen hatte zuvor dem entsprechenden Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main stattgegeben. Der Fahndungserfolg ließ nicht lange auf sich warten: Innerhalb von Stunden konnten Opfer wie Täter identifiziert und der 24-Jährige festgenommen werden. Umgehend bat das BKA die Internetnutzer, alle geteilte Bilder des Kindes wieder zu löschen. Dass diese Bitte wirklich restlos erfüllt wird, erscheint allerdings fast aussichtslos: Auch Stunden nach dem Appell waren die Fotos im Netz noch problemlos zu finden.

Das Dilemma, mit der Fahndung ein Opfer erkennbar und womöglich auf Dauer der Öffentlichkeit ausgesetzt zu haben, lässt sich nicht aus der Welt räumen. Aber dennoch gibt nicht nur der Erfolg den Ermittlern recht. Die Strafprozessordnung erlaubt die Veröffentlichung von Zeugenfotos, wenn die Aufklärung einer erheblichen Straftat sonst aussichtslos wäre. Im Fall des Kindes bestand besondere Dringlichkeit, weil die Gefahr drohte, es könnte weiter missbraucht werden.

Dem Mädchen wird es womöglich nicht erspart bleiben, im Netz sein eigenes Fahndungsbild zu entdecken oder von anderen identifiziert zu werden. Dafür blieb ihm weiterer Missbrauch erspart. Die Fahnder haben richtig entschieden.

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