BGH-Urteil: Zu viel Schutz für anonyme Pöbler

Urteil des Bundesgerichtshofs zu Arztbewertungsportalen

Ein Kommentar von Peter Kurz.

Ein Kommentar von Peter Kurz.

Foto: Young David (DY)

Der Bundesgerichtshof sichert den Verfassern von Kommentaren auf Internet-Bewertungsportalen Anonymität zu. Für das Urteil lassen sich gewiss gute Gründe finden. Allen voran dieser: Der Gesetzgeber hat eben diese Anonymität gewollt — dann darf auch das höchste Zivilgericht eine solche Vorgabe nicht einfach aushebeln. Dennoch ist der Richterspruch unbefriedigend. Ist er doch so etwas wie ein Freifahrtschein für Cybermobbing.

Natürlich ist die von den Befürwortern der Netz-Anonymität ins Feld geführte Meinungsfreiheit ein hohes Gut. Manch einer wird von der Möglichkeit, seine Ansicht öffentlich kundzutun, keinen Gebrauch machen, wenn er sich dafür mit seinem Namen offenbaren muss. Dabei kann die Einschätzung eines solchen eher zurückhaltenden Zeitgenossen in einem öffentlichen Forum nützlich sein. Es ist in Ordnung, wenn Patienten ihre guten oder schlechten Erfahrungen, die sie mit dem Doktor hatten, austauschen können.

Doch sollten dabei nicht die Folgen einer Negativkritik vergessen werden. Zumal, wenn diese unter dem Deckmantel der Anonymität noch mal besonders „gewürzt“ wird. Wer kann verhindern, dass Kampagnen und Manipulationen stattfinden — indem sich ein Einzelner mehrfach unter verschiedenen Namen einloggt? Und so ein (Vor-) Urteil multipliziert, das die anderen Patienten des Arztes abwandern lässt.

Wenn das Internetportal sich dann schützend vor den „maskierten“ Verfasser stellt, hat der Arzt als Zielscheibe der Kritik keine Chance zur Gegenwehr. Zwar kann er den Betreiber zur Löschung des Eintrags auffordern. Dafür muss er aber erst einmal Kenntnis davon haben. Nicht jedes Portal verhält sich so fair wie die Stiftung Gesundheit, die den Ärzten Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Kommentierung eines Eintrags gibt.

Dem Bundesgerichtshof ist nicht vorzuwerfen, nach den Buchstaben des Gesetzes entschieden zu haben. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, sein liberales Verhältnis zum Recht auf Anonymität zu überdenken. Dieses wirkt allzu leicht als Schutz für anonyme Pöbler.

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