Berliner Rede: Hört auf den Sparkassendirektor!

Nein, der Auftritt von Horst Köhler in Berlin lässt sich nicht einfach als Rede eines Sparkassendirektors abtun. Als solcher wurde der frühere IWF-Chef ja gerne verspottet, wenn man ausdrücken wollte, dass ihm die Kleider des Bundespräsidenten ein paar Nummern zu groß seien.

Aber erstens ist die Bezeichnung Sparkassendirektor in Zeiten der Finanzkrise alles andere als eine Beleidigung.

Sparkassendirektoren stehen für Solidität und Augenmaß, für ein Wirtschaften ohne milliardenschwere Banker-Boni. Zweitens gelang es Köhler, jene lange Linie von der Entstehung der Krise bis hin zu ihrer möglichen Lösung zu zeichnen, die man in der Rede Angela Merkels vor dem Bundestag schmerzlich vermisst hatte.

Hier der Bundespräsident, der Orientierung gibt, dort die desorientiert wirkende Bundeskanzlerin: Deutlicher hätte Köhler gar nicht werden müssen. Aber er wurde deutlicher. Und mit seiner Kritik an der Großen Koalition traf er ins Schwarz-Rote. Haben Union und SPD noch immer nicht begriffen, dass die Bürger für den Dauer-Streit angesichts der sich überschlagenden Negativ-Prognosen zur Konjunktur keinerlei Verständnis haben?

SPD-Chef Müntefering nutzt jede Gelegenheit, um auf die Führungsschwäche der Kanzlerin hinzuweisen, und will nun sogar in dem braven Unions-Fraktionschef Kauder den obersten Merkel-Verräter ausmachen. Das ist so durchsichtig, dass man sich als Beobachter fast beleidigt fühlt.

Die CDU ist hin- und hergerissen zwischen Ministerpräsidenten, Bundestagsfraktion und Kanzleramt - und schlägt wütend um sich. CSU-Chef Seehofer schließlich versucht nicht einmal mehr so zu tun, als ob ihm das Land mehr bedeute als seine Partei. Dabei wäre ordentliches Regieren wichtiger denn je. Beispiel Opel: Soll es Staatshilfen geben, oder lässt man den Konzern in die Insolvenz abgleiten?

Die Volksparteien müssen sich jetzt zusammenreißen. Vorgezogene Neuwahlen wären keine Alternative. Was soll auch dabei herauskommen? Eine schwarz-gelbe Mehrheit? Köhler hat in seiner Rede Kritik an zu viel Staatseinfluss zurückgewiesen. Das ging direkt an die Adresse der FDP, die als einzige Partei aus der Krise bislang nichts gelernt hat. Sie muss begreifen: Ihr Bundespräsidenten-Kandidat ist kein radikaler Wirtschaftsliberaler.

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