Atomausstieg: Merkels politisches Bravourstück

Der geplante Atomausstieg schafft neue Bündnisperspektiven

Angela Merkel ist wieder da. Die als Zauderin verschriene, als Mutti verlachte Bundeskanzlerin hat wieder einmal Instinkt bewiesen, jenen Instinkt, der sie bisher jede Krise ihrer Partei oder ihrer Regierungskoalition überstehen ließ. Und der vom Kabinett in der Nacht zu Montag beschlossene Atomausstieg ist ihr Meisterstück.

Der promovierten Physikerin gelingt damit gleichsam die Quadratur des Kreises: Sie gibt der Union ein umwelt- und energiepolitisches Profil. Sie stärkt ihren notleidenden Koalitionspartner, die FDP. Und sie reicht den Grünen die Hand zu künftigen Bündnissen.

Ganz nebenbei entspricht Merkel mit dem Beschluss, bis 2022 alle AKW in Deutschland vom Netz zu nehmen, dem Wunsch der Mehrheit in der Bevölkerung.

Fazit: Mit ihrer Strategie hat Angela Merkel ihre Chancen deutlich gesteigert, auch über das Jahr 2013 Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland zu sein. Und ihre Gegner wissen jetzt, dass mit ihr immer zu rechnen ist, mögen die Umfragewerte auch noch so schlecht sein.

Sowohl ihre Gegner als auch der Koalitionspartner FDP hingegen werden an diesem politischen Bravourstück noch einige Zeit zu knabbern haben.

Zwar gewährte die Kanzlerin dem neuen Chef der Liberalen, Philipp Rösler, einen kleinen Sieg, als sie sich trotz Atomausstiegs zum Fortbestand der Brennelementesteuer bewegen ließ.

Aber die Energiewende der Union ist eine so deutliche Einladung an die Grünen zur Koalition auch auf Bundesebene, dass der FDP angst und bange werden muss. Die Liberalen sind nun gezwungen, sich wohl oder übel der „Ampel“ mit SPD und Grünen zu öffnen, was der ehemalige Parteichef Guido Westerwelle zuletzt noch kategorisch ausgeschlossen hatte.

Den Grünen hat Merkel ihr wichtigstes Wahlkampfthema genommen. Atomausstieg ist nun nicht mehr das Alleinstellungsmerkmal der Ökopartei. „Grün“ kann Merkel auch, zumindest in der Energiepolitik.

Auch die SPD kann ihren zaghaften Widerstand gegen den Atomausstieg à la Union auf Dauer kaum aufrechterhalten. Dafür erinnert im Beschluss des Koalitionsausschusses zuviel an den Ausstieg, den Rot-Grün 2001 verabschiedet hatte.

Im Machtspiel um die Atomenergie geht der Punkt an Merkel.

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