Meinung Armenien-Resolution: Eine vertrackte Situation

Das, was die Türken beginnend vor 101 Jahren den Armeniern antaten, war Völkermord. Die Unterschiedslosigkeit, mit der auch Alte, Frauen und Kinder in den Hungertod getrieben wurden, wenn man sie nicht gleich erschlug, spricht dafür, und die Zahl der Opfer, bis zu 1,5 Millionen.

Es ist auch keine Frage, dass deutsche Politiker Anlass haben, das Geschehen so zu nennen. Denn das Kaiserreich schaute dem Morden seines osmanischen Verbündeten wohlwollend zu. Auch ist das Thema keine historische Restgröße. Weil eine Aufarbeitung und Versöhnung nicht stattgefunden hat, ist dieser Genozid bis heute eine schärende Wunde in der Türkei selbst und in seinem Verhältnis zu Armenien. Diese Region aber ist Europas Vorhof und die Türkei EU-Aspirant.

Der Bundestag hat also prinzipiell alles Recht der Welt, das Geschehen in einer Resolution zu behandeln und als „Völkermord“ einzuordnen, so wie es für Anfang Juni geplant ist. Die Frage ist aber: Mit welchem Ziel? Zumal es im letzten Jahr beim 100. Jahrestag schon eine Debatte gab, in deren Verlauf nicht nur der Bundestagspräsident, sondern Sprecher aller Fraktionen dieses Wort benutzten. Freilich wurde damals, als es angesichts des Gedenktages Sinn gemacht hätte, kein förmlicher Beschluss gefasst. Wenn man außerdem bedenkt, dass das EU-Parlament, der Bundespräsident und der Papst diesen Begriff verwendet haben, jeweils unter heftigen Protesten Ankaras, könnte man auch zu der Erkenntnis gelangen, dass diesbezüglich alles gesagt ist und man jetzt mit der Angelegenheit auf andere Art weiter kommen sollte. Zum Beispiel, indem man hilft, einen türkisch-armenischen Aufarbeitungs- und Aussöhnungsprozess in die Wege zu leiten.

Die geplante Resolution wirkt zum gegenwärtigen Zeitpunkt zwanghaft. Man spürt: Hier geht es manchem nicht nur um die Symbolik des Wortes, hier geht es auch darum, es Staatspräsident Erdogan persönlich zu zeigen. Der leugnet zwar nicht die Toten, wohl aber den Begriff. Einige wollen auch die Bundesregierung vorführen. Denn die steht derzeit unter dem Generalverdacht, vor dem türkischen Machthaber wegen der Flüchtlinge zu kuschen. Es ist eine vertrackte Situation. Und ein schlechter Zeitpunkt für Mahner wie Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der das Thema in der Sache nicht anders bewertet. Der aber auch mal darüber nachdenkt, wie es am Tag nach einem solchen symbolischen Triumph weitergeht.

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