Antibiotika: Ein Problem mit vielen Lösungen

Der großzügige Umgang mit Antibiotika

Ein Kommentar von Vera Zischke.

Ein Kommentar von Vera Zischke.

Foto: Schinkel, Uwe (schin)

Antibiotika sind in der Medizin ohne Alternative. Ohne sie würden etwa Lungenentzündungen und Harnwegsinfektionen plötzlich wieder zu unheilbaren Krankheiten, die Medizin fände sich im Mittelalter wieder. Eine schreckliche Vorstellung, da diese Krankheiten oft die Schwächsten unter uns treffen: Alte, Intensiv-Patienten und Frühchen.

Dabei ist die Situation in Deutschland noch vergleichsweise entspannt. In Südeuropa trägt zum Teil mehr als die Hälfte der Patienten resistente Keime in sich. In afrikanischen Ländern wird schon jetzt etwa die Behandlung von Tuberkulose schwierig.

Das Erschreckende daran ist: Antibiotika-Resistenzen sind keine unbekannten Phänomene. Sie sind nicht plötzlich aufgetaucht wie Sars und Ehec. Es ist völlig klar, wie diese Resistenzen entstanden sind und was dagegen getan werden kann.

Der Hemmschuh ist, dass die nötigen Konsequenzen an den Routinen gleich mehrerer Berufsstände rütteln. So muss der Einsatz von Antibiotika in der Medizin grundlegend überdacht werden. Studien zeigen, dass die kostbaren Medikamente häufig völlig falsch verordnet werden, etwa bei Virus-Erkrankungen, bei denen sie gar nicht wirken. Ärzte tun dies, weil sie glauben, dass es ihre Patienten von ihnen erwarten — ein gefährlicher Placebo.

Der Einsatz von Antibiotika als Mastbeschleuniger in der Tierzucht ist ein weiterer Punkt, der grundlegende Veränderungen in einem gesamten Berufsfeld erfordert. Dass es überhaupt so weit kam, ist mit gesundem Menschenverstand nicht nachzuvollziehen. Ebenso unverständlich ist, warum es in Krankenhäusern und Kliniken noch immer nicht gelingt, vernünftige Hygienestandards durchzusetzen. Es kann nicht zu viel verlangt sein, dass sich ein Krankenpfleger die Hände desinfiziert, bevor er von einem zum anderen Patienten wechselt.

Ein letzter Punkt stimmt besonders bitter: Seit 30 Jahren hat die Pharmaindustrie keine neuen antibiotischen Wirkstoffe auf den Markt gebracht, obwohl sie dringend gebraucht werden. Die Gewinnspanne ist zu klein. Mit Pillen für chronisch Kranke lässt sich mehr Geld verdienen. Antibiotika machen einfach zu schnell gesund — noch.

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