Meinung Anschlag auf Touristen trifft die Türkei ins Mark

Ein Besuch der Blauen Moschee und der Hagia Sophia gehören fest zum Programm fast jeden Istanbul-Besuchers. Schon am frühen Vormittag stehen Touristen in langen Schlangen vor den beiden Sehenswürdigkeiten, die kaum mehr als einen Steinwurf voneinander entfernt im bei ausländischen Gästen beliebten Stadtviertel Sultanahmet liegen.

Meinung: Anschlag auf Touristen trifft die Türkei ins Mark
Foto: Judith Michaelis

Auch wenn es zynisch klingen mag, muss man wohl von Glück sprechen, dass bei dem Bombenanschlag, der womöglich nicht zufällig Deutschen galt, nicht noch mehr Menschen ums Leben gekommen sind.

Genau darauf zielte aber die Attacke — dem Attentäter mit der Körperbombe ging es darum, möglichst viele Besucher zu töten. Dafür sprechen nicht nur Tatort und -zeitpunkt, sondern auch die Metallsplitter, die Ermittler zwischen Toten und Verletzten gefunden haben. Wobei die Bilder von Leichensäcken und Verletzten letztlich Mittel zum Zweck sind — auch das klingt zynisch. Das eigentliche Ziel der Terrorattacke ist der türkische Staat, die Angriffe auf ausländische Gäste treffen ihn an einer seiner empfindlichsten Stellen, dem Tourismus.

Die Hintermänner des Selbstmordbombers kennen die Mechanismen genau, die eine solche Wahnsinnstat auslöst. Bereits wenige Stunden nach der Explosion warnte das Auswärtige Amt deutsche Türkei-Touristen, Menschenansammlungen auf Plätzen und vor touristischen Attraktionen zu meiden. Der Plan der Strippenzieher scheint aufzugehen; Angst ist eine mächtige Waffe.

Der mutmaßliche Attentäter soll Mitglied des Islamischen Staates gewesen sein. Darauf haben sich die türkischen Offiziellen bemerkenswert schnell festgelegt — trotz einer eiligst verhängten Nachrichtensperre. Allerdings lässt das brutale Vorgehen durchaus auf die Urheberschaft der Terrororganisation schließen. Anlass für eine Attacke haben die Kopf-ab-Dschihadisten aus ihrer verqueren Sicht genug. Nach langem Zögern beteiligt die Türkei sich nun auch an der Anti-IS-Koalition. Vom Nato-Stützpunkt im türkischen Incirlik heben seit Anfang des Jahres deutsche Späh-Tornados in Richtung Syrien ab.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan wird auf den Anschlag mit massiver militärischer Gewalt reagieren, so viel dürfte klar sein. Dem Terrorismus hat er einen gnadenlosen Kampf angesagt. Unklar ist allerdings, wen genau er damit meint. Anstatt IS-Stellungen zu bombardieren, nahm seine Luftwaffe zuletzt vor allem die der kurdischen Arbeiterpartei PKK ins Visier und alle, die als Sympathisanten gelten. Zu befürchten ist auch jetzt wieder, dass nun die Kurden für den Anschlag von Istanbul bluten müssen.

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