Meinung Anpacken im Hinterhof der Strafrechtspflege

Als den „ungepflegten Hinterhof der Strafrechtspflege“ hat der Kriminologe Frank Neubacher einmal den Strafvollzug bezeichnet. Was da abläuft, nachdem der Staatsanwalt ermittelt und der Richter verurteilt hat, ist ein Teil der Justiz, bei dem auch die Öffentlichkeit gern wegguckt.

Ein Kommentar von Peter Kurz.

Ein Kommentar von Peter Kurz.

Foto: Sergej Lepke

Der Strafvollzug als Ländersache ist etwas, mit dem sich auch ein dafür zuständiger Justizminister kaum profilieren kann. Im Gegenteil: Gefängnisausbrüche, Gewalttaten im Knast oder Suizide haben regelmäßig das Zeug, ihn politisch in Bedrängnis zu bringen. Dass NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) nicht tatenlos auf solche Vorkommnisse wartet, sondern Missstände angehen will, liegt aber nicht nur in seinem Eigeninteresse. Es ist unser aller Wohlergehen geschuldet.

Gewiss, immer wenn es zu einer Straftat kommt, wünscht man sich zu Recht, dass der Täter dafür büßt. Die Strafe soll wehtun. Doch sollten wir auch im Blick haben, dass jeder Gefangene früher oder später — sei es in fünf, zehn oder 15 Jahren — wieder herauskommt. Und dann unser Nachbar sein kann. Da sollte es in unserem Interesse liegen, dass er ein Nachbar ist, vor dem wir uns nicht fürchten müssen. Das kann nur funktionieren, wenn das Gefängnis eben nicht nur wehtut, sondern alles daran gesetzt wird, dass das Gefängnis auch bei der Resozialisierung hilft. Dies kann es aber nur, wenn Ressourcen personeller und damit auch finanzieller Art in den Strafvollzug fließen. Und wenn man den Strafvollzugsbediensteten den Rücken stärkt. Auch sie sind auf eine Art lebenslang eingesperrt und machen doch einen Job, der es nicht verdient hat, dass sie als Schließer bezeichnet werden.

Wenn die Gefängnisse zu voll werden, lässt sich dem durch Neu- oder Ausbau begegnen. Den Gerichten kann man nicht verübeln, wenn sie Straftaten mit Haft ahnden. Da darf sich auch die Politik nicht einmischen. Wohl aber ließe sich manch ein Knastaufenthalt vermeiden — durch Gesetzesänderungen, die freilich nicht in der Hand eines einzelnen Landes liegen. Man denke an wegen Schwarzfahrens eingesperrte Missetäter. Oder an das Phänomen der sogenannten Ersatzfreiheitsstrafen. Da werden Menschen eingesperrt, weil sie die verhängte Geldstrafe nicht bezahlen können. Statt mit ihnen eine tragbare Ratenzahlung zu vereinbaren, müssen sie ins Gefängnis — in eine eigentlich für schwerere Kaliber reservierte Zelle. Und kosten den Staat auf diese Weise viel mehr. Jeder Hafttag schlägt mit etwa 130 Euro zu Buche. Das ist doch verrückt, oder?

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