An erster Stelle steht der Egoismus

Bahnreisenden drohen ab dieser Woche lange Streiks

Ein Kommentar von Stefan Vetter.

Ein Kommentar von Stefan Vetter.

Foto: k r o h n f o t o .de

Bahnkunden müssen sich warm anziehen. Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, dann stehen Zugfälle und massive Verspätungen unmittelbar bevor. Die Lokführer hatten sich mit satter Mehrheit für einen Arbeitskampf ausgesprochen. Damit steht ihre Gewerkschaft GDL massiv unter Erfolgsdruck.

Nun ist das Streikrecht in Deutschland ein hohes Gut. Es genießt sogar Verfassungsrang. Und eigentlich versteht es sich ja auch von selbst, dass ein Streik möglichst vielen wehtun muss. Sonst bleibt er beim Arbeitgeber ohne Wirkung. Insofern fallen die Lokführer nicht aus dem Rahmen. Auch was ihre Tarifforderung angeht. Zwar kritisiert die Bahn die geforderten fünf Prozent mehr Lohn bei zwei Stunden geringerer Wochenarbeitszeit als „utopisch und unerfüllbar“. Aber so klingt die übliche Begleitmusik, auch in anderen Branchen.

Was beim aktuellen Tarifkonflikt allerdings zutiefst irritiert, ist die Tatsache, dass es GDL-Chef Klaus Weselsky eben nicht nur um mehr Geld geht, sondern vor allem um mehr Macht auf Kosten einer anderen Arbeitnehmervertretung. Nach dem Willen Weselkys soll die GDL nicht mehr nur für die Lokführer verhandeln, sondern auch für die Zugbegleiter, die bislang von der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG vertreten werden.

Nun sind konkurrierende Arbeitnehmerorganisationen in einer Branche nichts Neues. Auch im öffentlichen Dienst kennt man das schon länger. Nur geht man dort eben anders miteinander um. Verdi sowie dbb Beamtenbund und Tarifunion bilden eine Verhandlungsgemeinschaft, damit Beschäftigte im gleichen Beruf keine unterschiedlichen Regelungen für Löhne oder Arbeitszeiten haben. Eine Praxis, die sich zweifellos bewährt hat.

GDL-Chef Weselsky bringt nun aber das gesamte Gewerkschaftslager in Verruf, wenn er einen aggressiven Konfliktkurs in eigener, egoistischer Sache fährt. Das Verständnis der Bahnkunden sollte sich an dieser Stelle stark in Grenzen halten. Müssen sie doch ausbaden, was zwei Gewerkschaften nicht hinkriegen, nämlich erst einmal selbst auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Den Stillstand auf der Schiene wird das nur unnötig verlängern.

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