Abschied von der Wehrpflicht – und dann?

Eins darf nicht außer Acht gelassen werden, wenn in diesen Tagen über die Reform der Bundeswehr gestritten wird: Es geht in erster Linie um 8,3 Milliarden Euro, die bis 2014 eingespart werden sollen.

Das ist die Kassenlage. Die Frage nach der Wehrpflicht - nach ihrem Fortbestand oder ihrer Aussetzung oder gar ihrer Abschaffung - ist die Frage nach der politischen Sinnhaftigkeit.

Spätestens seit ab 1. Juli die Zeit beim Bund nur noch sechs Monate dauert, ist der Wehrdienst "in Richtung Sinnlosigkeit verkürzt und somit zerstört worden", wie der frühere Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) zu Recht festgestellt hat. Wehrgerechtigkeit ist ein Begriff aus der Vergangenheit - es ist ungerecht, wenn heute eine Minderheit von zwölf Prozent junger Männer wertvolle Zeit bei der Bundeswehr verliert, während die Altersgenossen ihre Berufsausbildung vorantreiben können.

Die Sinnfrage lautet: Wozu brauchen wir Streitkräfte? Wie finden wir geeignetes Personal? Wie finanzieren wir eine Profi-Armee? Und wie schaffen wir eine Reserve für alle Fälle von der Katastrophe bis zur Verteidigung des Bündnisgebietes?

Das Thema ist zu komplex, um noch in diesem Jahr durchgepaukt zu werden. Denken wir an ganze Regionen, deren Infrastruktur zusammenbricht, wenn die Bundeswehr abrückt. Denken wir an das soziale Netz, das nicht mehr hält, wenn mit der Wehrpflicht auch der Ersatzdienst wegfällt. Erinnern wir uns, dass Generationen von Wehrpflichtigen ein halbes Jahrhundert lang ein vitales Band zwischen Bevölkerung und Armee waren.

Richtig ist: Die Bundeswehr ist nicht da, um stationiert zu sein. Sie ist nicht da, um unser Sozialsystem zu stützen. Sie ist nicht da, um das Verhältnis der Bürger zu ihrem Staat enger zu gestalten. Sondern ihre originäre Aufgabe ist die, das Territorium und die Bevölkerung der gesamten Nato-Allianz zu schützen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat vor kurzem gesagt, sie werde "wegen zwei Milliarden nicht die deutsche Sicherheit aufs Spiel setzen". Das lässt hoffen, dass die Reform der Bundeswehr diesmal nicht mit der heißen Nadel gestrickt wird. Und dass es auch in Zukunft eine ordentlich ausgebildete Reserve gibt. Wie auch immer das zu bewerkstelligen ist, ohne Wehrpflichtige.

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