Lob und Tadel für den Wirtschaftsstandort

Laut einer IHK-Studie sind die Unternehmen mit den Innenstädten und der Infrastruktur zufrieden. Kritik gibt es am Breitbandausbau und an den kommunalen Kosten.

Lob und Tadel für den Wirtschaftsstandort
Foto: Archiv

Kreis Viersen. Obwohl sich im Kreis Viersen in den vergangenen Jahren das Wirtschaftswachstum und die Wertschöpfung im Vergleich zum Landesdurchschnitt unterdurchschnittlich entwickelt haben, sind dennoch seit 2008 mehr als 10 000 neue Beschäftigungsverhältnisse entstanden. Gleichzeitig schneidet der Kreis Viersen bei den Standortfaktoren „Verkehrsanbindung“ und „Qualität der Innenstädte“ gut ab. Unzufrieden sind die Unternehmen dagegen mit den kommunalen Kosten, der Arbeitskräfteverfügbarkeit und der Breitbandinfrastruktur.

Das sind die wesentlichen Ergebnisse einer Standortanalyse, die die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein dem Aufsichtsrat der Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Kreis Viersen (WFG) vorgestellt hat. Sie basiert auf einer Studie des Regionalökonomen Rüdiger Hamm von der Hochschule Niederrhein sowie einer Umfrage der IHK unter 400 Betrieben aus dem Kreis Viersen mit insgesamt rund 6000 Beschäftigten.

„Die Unternehmen sind insgesamt zufrieden. Dennoch sollte weiter an den Rahmenbedingungen für die Wirtschaft gearbeitet werden“, erklärte IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz. Die befragten Unternehmen bewerteten mehr als 50 Standortfaktoren. „Insgesamt geben die Unternehmen dem Kreis die Note ‚Zwei Minus‘. Es gibt also durchaus noch Verbesserungspotenzial“, so Steinmetz.

Die Branchen Land- und Forstwirtschaft und das Nahrungs- und Genussmittelgewerbe gehören zu den 15 beschäftigungsstärksten im Kreis Viersen. „Besonders groß war der Beschäftigungszuwachs im Dienstleistungssektor. Allerdings blieb das Beschäftigungsplus im Kreis Viersen hinter dem im Land zurück“, berichtete Gregor Werkle, Leiter des IHK-Bereichs Wirtschaftspolitik. Zwischen 2008 und 2017 entstanden in Dienstleistungsbranchen, darunter im Verkehrsgewerbe, im Gastgewerbe, im Bereich Gesundheit und Soziales sowie bei sonstigen Diensten für Unternehmen mehr als 7000 neue Arbeitsplätze.

Die größten Beschäftigungseinbußen mussten Branchen aus dem produzierenden Gewerbe hinnehmen. In der Gummi- und Kunststoffindustrie und dem Fahrzeugbau war der Stellenabbau am stärksten. Dort gingen mehr als 1300 sozialversicherungspflichtige Stellen verloren.

Im Schnitt geben die Unternehmer aus dem Kreis Viersen der Standortqualität vor Ort insgesamt die Schulnote „Zwei minus“. 61 Prozent der Betriebe bewerten den Standort mit der Note „Sehr gut“ oder „Gut“. Eine „Drei“ oder „Vier“ vergeben 37 Prozent der Unternehmen.

„Dass die Unternehmen insgesamt mit dem Kreis Viersen als Wirtschaftsstandort zufrieden sind, liegt vor allem an der guten Straßenverkehrsinfrastruktur und an der Qualität der Innenstädte“, erläuterte Steinmetz. Die Erreichbarkeit des Standorts per Flugzeug und Straße wird außerordentlich gut bewertet.

Kritisiert wird dagegen die Verkehrsanbindung an die Schienenwege. „Es reicht für einen guten Wirtschaftsstandort nicht aus, dass er nur über die Straße gut angeschlossen ist, Schienenwege müssen auch ausreichend vorhanden sein — sowohl für Güter als auch für Personen“, so Steinmetz. „Eine Verlängerung der Schienenstrecke Mettmann—Kaarst nach Willich und Viersen würde die Erreichbarkeit der kreisangehörigen Kommunen deutlich verbessern.“

Jürgen Steinmetz, IHK-Hauptgeschäftsführer

Die gute Bewertung der Innenstädte im Kreis Viersen zeige zudem, dass die Unternehmer die Aufenthaltsqualität dort als positiv empfinden. Kritisiert wird allerdings das unzureichende Parkplatzangebot in den verschiedenen Zentren. Steinmetz wies jedoch darauf hin, dass gerade die Ortszentren kleinerer Kommunen nur dann gegenüber dem Online-Handel und den Einkaufszentren in den großen Städten wettbewerbsfähig seien, wenn die Erreichbarkeit gegeben ist. Die kommunalen Kosten wurden dagegen negativer bewertet. „Das ist ein Hinweis darauf, dass Handlungsbedarf besteht“, sagte Steinmetz. Darüber hinaus beurteilen die Unternehmen die Dauer von Plan- und Genehmigungsverfahren als nicht zufriedenstellend.

Kritisch betrachten die Unternehmer die Informationsinfrastruktur. Für 41 Prozent ist die Qualität dieses Standortfaktors „weniger befriedigend“ oder „schlecht“. Diese Bewertung hat sich seit der vergangenen Befragung im Jahr 2012 deutlich verschlechtert. Steinmetz: „Für die meisten Unternehmen ist eine gute Breitbandversorgung für die reibungslose Abwicklung ihrer Geschäfte grundlegend.“

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