Langsamer Abschied von der Blutbuche

Seit Montag rücken Sägen dem hunderte Jahre alten Baum am Friedhof in Nettetal zu Leibe. Die Fällung der kranken Buche nimmt drei Tage in Anspruch.

Leuth. Mit Hubsteiger und zwei Traktoren samt Schredder ist Forstwirtschaftsmeister Hubert Jöpen am Montagmorgen angerückt; Stück für Stück entfernt er Äste an der mächtigen Blutbuche auf dem Friedhof und wirft jeden gezielt auf den Weg, wo zwei Mitarbeiter bereitstehen. Die dünnen Äste mit kargem Laub schreddern sie gleich, die dickeren werden zu einem Festmeter gestapelt. Es ist vorsichtige Handarbeit angesagt, denn die Gräber ringsum dürfen nicht beschädigt werden.

Noch ist kaum zu sehen, ob der Baum innen so gefährlich von einem Pilz angegriffen worden ist, dass er auseinander zu brechen droht. Hier und da werden kleine Risse sichtbar, aber deswegen einen ganzen Baum fällen? Das ist in den vergangenen Jahren immer wieder hinausgeschoben worden. „Zu unserer Zeit sollte er eigentlich noch nicht gefällt werden“, sagte Heike Meinert. Die Leiterin des Nettetaler Grünflächenamtes wies mit ihrem Kollegen Ewald Meier darauf hin, dass es immer wieder Bemühungen gegeben habe, den Baum zu retten. Äste wurden gekappt, schwere Seile vom Stamm aus verspannt, um dickere Äste zu halten und nicht abbrechen zu lassen.

Langsamer Abschied von der Blutbuche
Foto: Jörg Knappe

Hubert Jöpen, Forstwirtschaftsmeister

„Es ist auch für mich nicht schön, solch einen stolzen Baum zu fällen“, erzählt Jöpen in einer kurzen Arbeitspause. Er habe reichlich Erfahrung mit dem gefährlichen Pilz, der Bäume in der Regel an wunden Stellen (abgebrochene Äste) angreift, auch wenn von außen nicht viel zu sehen ist. Als er kürzlich einen Baum in Viersen fällte, habe er zunächst gedacht: „Der ist doch ganz gesund.“ Als er aber das Wurzelwerk ausfräste, wurde der Schaden sichtbar.

Drei Tage sind für die Fällung angesetzt. Dienstag fährt zusätzlich ein Kranwagen vor, damit sollen die großen Baumstämme in der Mitte nach dem Sägen angehoben und vorsichtig auf den Boden gelegt werden. Jöpen hat auch den Auftrag, eine Baumscheibe anzufertigen — einen gut zehn Zentimeter dicken Schnitt durch den Stamm, an dem man über die Jahresringe das Alter ablesen könnte. „Mal sehen, wie es innen aussieht“, dämpft er allzu großen Erwartungen und schränkt weiter ein: „Ich habe nur ein 90 Zentimeter großes Sägeblatt.“ Der Durchmesser unten am Stamm ist aber weit über zwei Meter.

Das genaue Alter des Baumes ist nicht bekannt. Manche sagen, dass er angesichts seiner Größe (Kronenbreite 26 Meter) und seines Stammumfanges rund 300 Jahre alt sein könnte. Da ist Jöpen skeptisch, denn eine 300 Jahre alte Buche, die er kürzlich an Schloss Dyck fällte, habe einen erheblich größeren Stammumfang gehabt. Das Rätselraten hat vielleicht am Mittwoch ein Ende.

Die Leuther möchten mehrheitlich wieder eine Blutbuche gepflanzt sehen, berichtet Ortsvorsteher Heinz-Robert Reiners. Dies wurde bei Versammlungen des Ortsausschusses der CDU und des Verkehrs- und Verschönerungsvereins Leuth debattiert. Viele sprachen sich für einen (aus Amerika stammenden) Amberbaum aus. Den hält die Stadt aber nicht für den richtigen Baum an dieser Stelle, da Äste leicht ausbrechen. „Das ist ein trauriger Tag für Leuth“, sagt Helmut Schouren, „wenn man hier geboren und mit dem Baum aufgewachsen ist.“

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