Krefeld Todesnachricht, doch 78-Jährige lebt

Peinliche Panne im Helios-Klinikum: Die Nachtschicht verwechselt Patientinnen und schockiert Krefelder Familie unnötigerweise.

Krefeld: Todesnachricht, doch 78-Jährige lebt
Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Mitten in der Nacht klingelt das Telefon. Um 0.29 Uhr übermittelt eine Ärztin der Helios-Klinik am Lutherplatz die traurige Nachricht: Die Großmutter, die an Krebs im Endstadium litt, sei verstorben. Tiefe Traurigkeit überkommt die Enkelin und Tochter der 78 Jahre alten Frau. Die möchten namentlich lieber nicht genannt werden, sind der Redaktion aber bekannt und möchten in jedem Fall ihre Geschichte erzählen. Und die hat es in sich: „Wir haben zwei Stunden geweint. Dann haben wir uns ins Auto gesetzt, um meinem Großvater die Nachricht zu überbringen“, erzählt die 22 Jahre alte Enkelin. Das taten sie. Allerdings, wie sich anschließend im Krankenhaus herausstellt: Ihre Oma lebt.

Ihr Großvater habe den „Boden unter den Füßen verloren“, als er hörte, dass die Frau, mit der er 56 Jahre durch dick und dünn gegangen war, gestorben sei. „Er war zunächst ungläubig und wollte es nicht einsehen“, sagt seine Enkelin. Und er habe den unbedingten Wunsch geäußert, sofort ins Krankenhaus zu fahren. „Mein Opa war nicht zu halten, er wollte Oma noch in der Palliativstation sehen.“

Als sie dort angekommen seien, sei ihnen die Nachtschwester schnellen Schrittes entgegengeeilt. Und selbst den Tränen nahe gewesen. Der Grund: „Sie hat uns gesagt, dass es wohl eine Verwechslung gegeben habe. Nicht meine Oma sei verstorben, sondern eine andere Patientin.“

Die Enkelin beschreibt eine unwirkliche Szene: „Da ist mein Opa, dessen Gesicht kreidebleich ist und der mit leeren Augen eine Wand anstarrt. Da ist die Nachtschwester, die mit Tränen in den Augen vor dem Bett meiner totgesagten Oma kniet und uns um Verzeihung bittet. Und da ist meine Großmutter, die Minuten später auf dem Flur tanzt, weil sie froh ist, dass sie noch lebt.“

Die 22-Jährige und die 48 Jahre alte Tochter der Totgesagten tanzen nicht. Auch nicht am nächsten Tag. Sie sind sauer auf das Klinikum. „Wir wollen, dass andere Angehörige das nicht durchmachen müssen“, sagen sie. Die Nachtschwester sei alleine auf der Palliativstation gewesen, die zuständige Ärztin wahrscheinlich für mehrere Stationen zuständig gewesen, vermuten die 22-jährige Enkelin und ihre Mutter.

Wie es zu der Verwechslung kam, erklärt das Helios-Klinikum auf Nachfrage der WZ. Im Nachbarzimmer sei eine Patientin verstorben, deren Nachname ähnlich geklungen habe, wie der der 78-Jährigen. Die diensthabende Ärztin habe den Totenschein noch korrekt ausgefüllt und sei gerade dabei gewesen, die Festnetznummer der verstorbenen Patientin im Computer aufzurufen, um die Angehörigen zu informieren. In dem Moment habe die Nachtschwester darauf hingewiesen, dass auf Wunsch der Angehörigen zunächst die Tochter der Patientin informiert werden solle.

Dabei sei es zu der „zutiefst bedauerlichen Verwechslung gekommen“. Die Nachtschwester habe der Ärztin „versehentlich ein Blatt aus der Akte“ der im Nebenzimmer schlafenden 78-Jährigen, gegeben. Die Ärztin habe die Handynummer gewählt und sich bei der Tochter der noch lebenden 78-Jährigen durch Nennung des „ähnlich klingenden Nachnamens“ vergewissert, dass sie tatsächlich mit der Tochter der Verstorbenen spreche. „In einer so emotionalen Situation und bei einem nächtlichen Anruf aus dem Krankenhaus“ sei es jedoch mehr als nachvollziehbar, dass die Tochter der 78-Jährigen nicht wahrgenommen habe, dass es sich nicht um ihre Mutter handele, teilt das Krankenhaus mit. Die Tochter, die die Todesnachricht empfing, sieht das ganz anders: „In dem Moment war ich hellwach und ich bin mir sicher, dass die Ärztin Vor- und Nachnamen meiner Mutter genannt hat“, sagt sie.

Das Helios betont, dass es zu dem Fehler und der Verwechslung im Vorfeld gekommen sei, und ergänzt: „Wir können die Angehörigen nur nochmals in aller Form um Entschuldigung bitten und versichern, dass der Vorfall zu einer erhöhten Sensibilisierung unserer Mitarbeiter führt.“

Das reicht der Enkelin der 78-Jährigen nicht. Das Helios habe sich schriftlich entschuldigt, aber: „Ich erwarte eine persönliche Entschuldigung der in der Nacht zuständigen Ärztin. Was wir per Post bekommen haben, bestand nur aus Floskeln“, sagt die Enkelin.

Ihre Mutter weist darauf hin, dass sie der Nachtschwester keinen Vorwurf mache. Doch es werde in Krankenhäusern zu sehr am Personal gespart. „Die Nachtschwester war alleine auf der Station. Ist doch klar, dass sie überfordert war.“ Das Personal müsse dringend entlastet werden, damit andere Angehörige nicht das gleiche Gefühlschaos durchleben müssten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort