The Descendants: Ohne das, was Halt versprach

George Clooney brilliert in Alexander Paynes fünffach oscarnominiertem „The Descendants“ als hilfloser Familienvater.

Überall, wo Matt King auftaucht, wirkt er wie ein Fremdkörper. Sein Leben lang hat er versucht, alles richtig zu machen, hat die Millionen aus dem Familienvermögen in eine Stiftung überführt und seiner vierköpfigen Familie lediglich das als Monatssalär zugestanden, was er als selbstständiger Anwalt verdient. Abkömmling („Descendant“) einer der reichsten Familien auf Hawaii zu sein, war für ihn immer eher Makel denn Privileg.

Als seine Frau Elizabeth nach einem Bootsunfall ins Koma fällt, begreift er, dass er über seine Verbissenheit, so normal wie möglich sein zu wollen, Ehe und Kinder vernachlässigt hat. Es ist vor allem die stille Verzweiflung im Blick von George Clooney, die seine oscarnominierte Darstellung dieses Möchtegern-Mittelklässlers Matt so glaubwürdig werden lässt.

Am Krankenbett hört man seine innere Stimme Stoßgebete an seine Frau senden, sie möge zu ihm zurückkehren. Nicht etwa, weil er sie vermissen würde — dazu haben sich beide zu weit voneinander entfernt. Nein, Matt scheut die Aufgabe, plötzlich als Vater präsent sein zu müssen.

Seine jüngere Tochter Scottie (Amara Miller) treibt ihn zur Weißglut, weil ihr Wortschatz nur aus Schimpfwörtern zu bestehen scheint, die ältere, Alex (Shailene Woodley), fällt im Internat vor allem durch ihre Trink-Exzesse auf. Mehr noch als diese Warnzeichen potenzieller Fehlentwicklung ängstigt Matt, mit ihnen alleine fertig werden zu müssen.

Regisseur und Autor Alexander Payne, der es genießt, Menschen beim Scheitern zu beobachten, schildert in „The Descendants — Familie und andere Schwierigkeiten“ den Vollkaskoentwurf eines risikoarmen Lebens, das durch den Wegfall einer Konstante in Schieflage gerät.

Nur ist die Situation diesmal existenzieller als in seinen früheren Filmen: In seiner grandiosen Satire „About Schmidt“ (2001) beispielsweise musste Jack Nicholson als weltfremder Sozialphobiker lediglich die bildungsferne Familie seines künftigen Schwiegersohns erdulden. In Paynes aktuellem Film ist es das eigen Fleisch und Blut, das dem Protagonisten so fremd vorkommt wie die Gäste einer Nachmittags-Talkshow.

Erst als Alex offenbart, was sie aus dem Gleichgewicht gebracht hat, beginnt das lahmende Familienmiteinander wieder Fuß zu fassen: Matts Frau hatte eine Affäre, Alex hat das Techtelmechtel beobachtet. Langsam wird Vater und Tochter klar, dass sie das gleiche Problem haben: Irgendwann haben sie die Kommunikation mit Elizabeth eingestellt.

Er, weil er sich hinter Arbeit und dem Status Familienoberhaupt verschanzt hat; sie, weil sie mit pubertärer Selbstgerechtigkeit beschlossen hat, ihre Mutter zu ignorieren. Nun, da Elizabeth sterben könnte, fürchten beide, nicht mehr mit ihr sprechen zu können.

„The Descendants“ ist eine warmherzige Geschichte, die es mit ruhigen Bildern und lakonischer Erzählweise schafft, der Tragik einer bröckelnden Familie genau jene sinnstiftende Komik angedeihen zu lassen, die den Ausweg aus der Misere weist.

Eigentlich verwendete Matt bis zum Unfall seiner Frau sämtliche Energien auf das komplizierte Für und Wider, die Familienländereien an einen Investor zu verkaufen. Plötzlich erscheint ihm es aber wichtiger, mit seinen Töchtern den Nebenbuhler zu stellen. Alexander Payne beobachtet Menschen eben nicht nur gern beim Straucheln, sondern auch beim Aufstehen.

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