Streit um alte Beuys-Fotos

Museum Schloss Moyland zeigt nicht veröffentlichte Fotos von Joseph Beuys und löst Streit aus.

Bedburg-Hau. Eine Sternstunde erfrischend mutigen Fernsehens: Am 11. Dezember 1964 strahlte das ZDF in seinem damals sonst eher betulichen Abendmagazin "Drehscheibe" live und ungefiltert eine Avantgarde-Kunstaktion der aufmüpfigen "Fluxus"- Bewegung aus. Einer der drei Protagonisten war der noch wenig bekannte Düsseldorfer Kunstprofessor Joseph Beuys (1921-1986).

Mit der bisher unveröffentlichten Fotoserie der vor den TV-Kameras entstandenen Beuys-Aktion "Das Schweigen von Marcel Duchamp wird überbewertet" überrascht jetzt das Museum Schloss Moyland am Niederrhein.

Die etwa zwei Dutzend Bilder "sind die einzigen existierenden Bildquellen dieser Aktion", sagte Museums-Direktorin Bettina Paust. Das ZDF-Landesstudio in Düsseldorf habe das Frühwerk des heute weltbekannten Künstlers damals offensichtlich nicht aufgezeichnet.

Eine weitere Fotoserie der bis 13. September geöffneten Museumsschau zeigt die Eröffnung einer der ersten Beuys-Ausstellungen, mit der sich der soeben an die Akademie Düsseldorf berufene Bildhauer-Professor 1961 in Kleve der Öffentlichkeit präsentiert hatte.

Die insgesamt rund 50 Motive stammen von dem 2008 gestorbenen Düsseldorfer Fotografen Manfred Tischer. Sie gehören heute zu den rund 5800 Fotos im Moyländer Beuys-Archiv, die die ebenso flüchtige wie damals bedeutende Kunstform der "Aktion" für die Nachwelt bewahren.

Der ungewöhnliche ZDF-Auftritt sei "die erste theoretisch ansetzende Aktion von Beuys und eine, die einen kunsthistorischen Bezug offenbart", schreibt der Kunsthistoriker Uwe M. Schneede, der in seinem Buch lediglich zwei der zahlreichen Motive Tischers veröffentlich hat.

Beuys, so ist auf der Serie kleinformatiger Aufnahmen zu sehen, nähert sich mit einer Filzdecke kriechend einem Bretterverschlag, dessen inneren Winkel er mit Margarine in eine "Fettecke" verwandelt. Die hohe Konzentration ist dem Mann mit Filzhut und Anglerweste anzusehen, während die Künstlerkollegen Bazon Brock und Wolf Vostell gleich nebenan ihr eigenes Werk vollenden.

Seinen Satz über den Kunstpionier Duchamp (1887-1968), der am Ende nur noch schwieg und Schach spielte, schreibt Beuys derweil mit seiner geheimnisvollen "Braunkreuzfarbe" auf ein Transparent, das er später noch mit Schoko-Tafeln beklebt. Die verschlüsselte kritische Botschaft:

Der Franzose, als radikaler Erweiterer des Kunstbegriffs zwar geschätzt, hat sich mit seinen industriell gefertigten Ready-Made-Kunstwerken vom Urinal ("Fountain"/1917) bis zum Flaschentrockner der Beuys-Einsicht verweigert, wonach jeder Mensch ein Künstler sei. Während das Transparent als "Materialbild" heute zu den wichtigsten Werken der Moyland-Sammlung gehört, gelangte di/e Bretter-Fettecke als Teil des Darmstädter "Block Beuys" zu musealen Ehren.

Wenig Vergnügen macht die kunsthistorische "Ausgrabung" am Niederrhein der Beuys-Familie: Vor einer sachgemäßen Restaurierung des seiner Schoko-Tafeln verlustigen Duchamp-Transparents lehne die Erbengemeinschaft "die Prüfung und Genehmigung" einer Ausstellung von Fotos dieser Aktion ab.

Die Auseinandersetzungen, bei denen es auch um eine länger schwelende Rückgabeforderung von Beuys-Werken an das Museum geht, seien noch nicht abgeschlossen. "Wir sehen jeder möglichen juristischen Auseinandersetzung gelassen entgegen", kommentiert lakonisch die neue Museums-Chefin von Moyland den Zorn der Erben aus Düsseldorf. Bis 13. September, geöffnet di-fr 11-18, sa/so 10-18 Uhr, Tel.: 02824/951068.

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