„Schmähgedicht“ Gericht weist Böhmermanns Unterlassungsklage gegen Merkel ab

Vor drei Jahren sorgte Böhmermanns „Schmähgedicht“ gegen den türkischen Präsidenten Erdogan für eine heftige Diskussion um Kunstfreiheit. Auch die Kanzlerin mischte sich ein. Mit ihren Äußerungen hat sich jetzt ein Gericht befasst.

 Das Verwaltungsgericht verhandelt über die Klage des Satirikers Jan Böhmermann gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Das Verwaltungsgericht verhandelt über die Klage des Satirikers Jan Böhmermann gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Die Kritik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am „Schmähgedicht“ des Satirikers Jan Böhmermann war nach einem Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts zulässig und nicht rechtswidrig. Das Gericht wies am Dienstag eine Unterlassungsklage von Böhmermann ab. Damit scheiterte die Forderung des 38-Jährigen, Merkel zu verbieten, seine Verse gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan als „bewusst verletzend“ zu kritisieren.

Die Richterin fügte hinzu, die Unterlassungsforderung sei auch unzulässig, weil eine Wiederholung der Äußerung nicht zu erwarten sei. Das Kanzleramt hatte bereits vor dem Prozess zugesagt, die Kritik zu unterlassen.

Weder Böhmermann noch Merkel kamen ins Gericht. Dennoch war das Interesse groß, ging es doch auch um Presse- und Kunstfreiheit. Der TV-Moderator sah sich in seinen Grundrechten verletzt.

Böhmermann hatte das „Schmähgedicht“ gegen Erdogan Ende März 2016 in der ZDF-Sendung „Neo Magazin Royale“ vorgetragen und damit einen diplomatischen Eklat ausgelöst. Merkel nannte das Gedicht „bewusst verletzend“, wie Regierungssprecher Steffen Seibert nach einem Telefonat der Kanzlerin mit dem damaligen türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu berichtete. Später sprach Merkel von einem „Fehler“.

Richterin Rautgundis Schneidereit betonte: Merkels Äußerung sei keine strafrechtliche Vorverurteilung des Satirikers gewesen, sondern ein vertretbares und auf den Text des Gedichts bezogenes Werturteil. Zudem sei in der öffentlichen Erklärung der hohe Wert der Presse- und Meinungsfreiheit betont worden.

Das Gebot der Sachlichkeit sei nicht verletzt, die öffentliche Erklärung verhältnismäßig und gerechtfertigt gewesen durch das Informationsinteresse der Bevölkerung an den deutsch-türkischen Beziehungen, hieß es im Urteil.

Eine Berufung wurde zunächst nicht zugelassen, kann aber noch beantragt werden. Ob das noch kommt, ließ Böhmermanns Anwalt Reiner Geulen offen. Er sprach von einem erfolgreichen Prozess. „Wir haben nicht auf ganzer Linie verloren.“ Die gerichtliche Feststellung, dass die Äußerung nicht wiederholt wird, wäre ohne die Klage nicht erreicht worden, erklärte er.

Es war der Tag der Anwälte. In der mündlichen Erörterung hatte der langgediente Anwalt zusammen mit einem Kollegen ausführlich versucht, das Gericht zu überzeugen. Er führte an, dass Deutschland damals wegen der Aufnahme von Flüchtlingen von der Türkei abhängig gewesen sei, dass die Merkel-Kritik noch immer im Internet zu lesen sei und Böhmermann von einer „kriminellen Truppe“ bedroht werde.

Doch Richterin Schneidereit sagte zu dem Anwalt: „Sie sind immer beim Großen und Ganzen“, hier gehe es aber um Konkretes. Einen direkten Eingriff in die Kunst- und Pressefreiheit sah das Gericht nicht.

Die andere Seite hatte drei Anwälte sowie einen Vertreter des Kanzleramts aufgeboten. Die Juristen argumentierten: Es sei richtig gewesen, die Öffentlichkeit über das Telefonat mit der türkischen Seite zu informieren. Niemand verbiete Böhmermann, sich künstlerisch zu äußern.

Laut Geulen stand Böhmermann zeitweise unter Polizeischutz. Es gab demnach Erkenntnisse der Polizei, dass von türkischer Seite eine „Bestrafungsaktion“ gegen ihn und sein privates Umfeld vorbereitet werde. Er habe auch seine Wohnung wechseln müssen.

Die Türkei hatte nach der Sendung rechtliche Schritte verlangt. Die Bundesregierung machte den Weg für ein Strafverfahren wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes frei. Ermittlungen wegen Beleidigung gegen Böhmermann wurden im Herbst 2016 eingestellt. In einem anderen Verfahren wurde aber festgelegt, dass der Satiriker bestimmte „ehrverletzende“ Passagen des Gedichts nicht wiederholen darf.

(dpa)
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