Politisches Forum Ruhr Nicht nur Christen sind glücklich

Essen · Wie verträgt sich das Christentum noch mit der Gesellschaft? Das Politische Forum Ruhr hat versucht, Antworten zu finden – nicht immer mit Erfolg.

Diskussion in der Philharmonie Essen vor rund 2000 Zuhörern: (v. l.) Antonius Hamers, Hans Leyendecker, Moderator Michael Rutz, Schwester Ulrike Michalski, Nathanael Liminski, Manfred Lütz und Impulsgeber Thomas A. Lange.

Diskussion in der Philharmonie Essen vor rund 2000 Zuhörern: (v. l.) Antonius Hamers, Hans Leyendecker, Moderator Michael Rutz, Schwester Ulrike Michalski, Nathanael Liminski, Manfred Lütz und Impulsgeber Thomas A. Lange.

Foto: Peter Wieler/Initiativkreis Ruhr/Initiativkreis Ruhr

Werden Christen nur noch als peinlich wahrgenommen oder ist ihnen ihr Bekenntnis zum eigenen Glauben inzwischen gar selbst peinlich geworden? Der katholische Theologe und Arzt Manfred Lütz jedenfalls beklagt bei seinen Glaubensgeschwistern eine geradezu „routineartige Weise, sich zu entschuldigen“.

Aber zunächst einmal ist es vielleicht ein bisschen peinlich, dass das allzu frei schwebend formulierte Thema „Christen in der Gesellschaft“ vor rund 2000 Zuhörern in der Essener Philharmonie beinahe ausschließlich von Männern diskutiert wird. Dabei ist doch allgemein bekannt, dass weite Teile des kirchlichen Engagements in der Gesellschaft von Frauen getragen werden. Wäre nicht Schwester Ulrike Michalski, Leiterin der katholischen B.M.V.-Schule in Essen, noch nachträglich auf das Podium des Politischen Forums Ruhr gerutscht, der Abend wäre fest in Männerhand geblieben.

In die bekannte Bestandsaufnahme zu Beginn (Glaubwürdigkeitskrise der Kirchen, Gleichgültigkeit gegenüber dem Glauben, anderseits vorhandene Sehnsucht nach Werten) grätscht Antonius Hamers, Leiter des katholischen Büros NRW, mit dem gelassenen Befund, die Dänen seien in den Umfragen regelmäßig unter den glücklichsten Völkern zu finden, zugleich zählten sie auch zu den säkularsten. „Dabei sagen wir Christen doch immer: Glücklich bist du nur, wenn du an Gott glaubst.“ Seine christliche Zuversicht speist er daher vor allem aus den Begegnungen mit Menschen, „für die das Handeln aus dem Glauben heraus sehr wichtig ist“, auch unter den Politikern im Landtag.

Einer von ihnen, der diese Aussage sofort bestätigen würde, ist Nathanael Liminski. Der erst 33-Jährige ist Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei und damit der wichtigste Mann hinter Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Beim Weltjugendtag in Köln vor 13 Jahren zählte er zu den Mitgründern des Netzwerks „Generation Benedikt“, das sich inzwischen „Initiative Pontifex“ nennt. Als sich die Diskussion mal wieder am Stand der Ökumene festbeißt, sagt er: „Die jungen Menschen haben ganz andere Fragen: Warum Kirche? Was ist Wahrheit? Gibt es ein Leben nach dem Tod?“

Christliche Konfliktlinie zwischen Progressiven und Konservativen

Liminski stört sich am Erscheinungsbild seiner Kirche: „Wenn Bischöfe übereinander reden wie Politiker, dann unterscheidet sie bald gar nichts mehr“ – auch nicht das Ansehen. Da trifft er sich mit Lütz, der die Konfliktlinien nicht mehr zwischen den Konfessionen, sondern zwischen progressiven Katholiken und Protestanten einerseits und konservativen Katholiken und Protestanten andererseits verlaufen sieht. Für Schwester Ulrike folgt daraus der Anspruch, „im anderen das andere wertzuschätzen“.

Der Gesellschaft ist nun allerdings mit diesen Binnendifferenzierungen nicht geholfen. Auch die viel beschworenen christlichen Werte taugen nicht wirklich, wenn es Konsens scheint, dass es sich in der Regel um allgemeine Werte handelt, die von Christen halt christlich hergeleitet werden, von anderen aber anders. Aber da ist noch die Schuldfrage. Und jetzt wird es spannend.

Hans Leyendecker, mehrfach dekorierter Investigativjournalist und Präsident des Evangelischen Kirchentags 2019 in Dortmund, bekennt sich unverblümt zu eigenem Versagen: Wie Wolfgang Schäuble im Zuge der Parteispendenaffäre im Jahr 2000 zum Verzicht auf Fraktions- und Parteivorsitz getrieben worden sei, „das würde ich nie mehr so machen“.

Vielleicht entlastet ihn da, was Antonius Hamers schließlich als das entscheidend Christliche ausmacht: dass es aus dem Erlösungsgedanken heraus „keine Schuld gibt, die nicht vergeben werden kann“. Daraus folge sowohl die Einsicht in die eigene Begrenztheit als auch ein barmherziger Umgang mit denen, „die schuldig geworden sind“.

 Aber kann die Christenheit mit Haltungen wie dieser ihren Wert für die Gesellschaft behaupten? Ungewiss. Für Schwester Ulrike ist das kein Schaden: „Wenn die Zukunft des Christentums unberechenbar ist, dann ist ihr stärkstes Element die Hoffnung.“

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