Zurück zu den Wurzeln

Mit ihrem neuen Programm „Roots – Die Geschichte meiner Musik“ besinnt sich Jessye Norman auf ihre Herkunft.

Köln. Sie ist gerade zwölf Jahre alt, als sie die Biografie von Marian Anderson liest. Anderson, geboren 1897 in Philadelphia (USA), war in den 30er-Jahren eine gefeierte Altistin, die durch ganz Europa tourte und als "Jahrhundertstimme" galt. Dennoch verwehrte man ihr 1939 in Washington aufzutreten. Der Grund: ihre Hautfarbe. "Dass sie nicht in der Constitution Hall singen durfte, weil sie schwarz war, das ist unerhört. Man soll sich schämen!", sagt Jessye Norman.

Auch sie ist schwarz, und auch ihr wird man später eine der überragendsten Stimmen des 20. Jahrhunderts bescheinigen. "Dass ich singen wollte, wusste ich nicht. Nicht im Sinne einer bewussten Entscheidung. Ich war schon immer eine Sängerin, seit ich mit zwei Jahren damit begonnen habe", sagt sie. Allerdings: "An eine professionelle Karriere habe ich dabei nicht gedacht. Ich hatte immer Interesse an Medizin, hätte mir vorstellen können, Ärztin zu werden."

Als weltbekannte Sopranistin mit einem überaus großen und vielseitigen Repertoire, das von Opern über Lieder der Romantik bis hin zu Spirituals und Jazz reicht, hat sie allen Grund, stolz auf sich zu sein. Ihr jüngstes Projekt ist das gerade erst fertig gestellte Programm "Roots - Die Geschichte meiner Musik" das am 16. Juni Premiere in München hat, und mit dem sie am 1. Juli in Köln gastiert: "Ich wollte etwas singen, was mich wirklich inspiriert hat. Es sind Stücke, die mich mein ganzes Leben hindurch begleitet haben, von Leuten wie Thelonious Monk, Ethel Waters oder Ella Fitzgerald.

Norman hat Ansprüche an sich und ihre Kunst: "Ich singe in keiner Sprache, die ich nicht beherrsche." Sie spricht fließend Italienisch, Französisch und Deutsch. Mit neun oder zehn Jahren bekam sie ihr eigenes Radio und hörte dort am Wochenende Übertragungen aus der Metropolitan Opera: "Montags in der Schule habe ich davon erzählt. Und Sie können sich vorstellen: ,Lucia di Lammermoor´, das ist für desinteressierte Knaben ziemlich hart."

In "Roots" mischen sich für sie die Erinnerungen an die Stücke, die sie zu Hause sang, in der Schule und zusammen mit ihren Freundinnen. Keine Arien und Lieder, sondern Jazz-Standards, Musical-Melodien und Spirituals: "Die man aber nicht mit Gospels verwechseln darf. Spirituals sind die Stücke der Sklaven. Gospels kamen erst später"

Herkunft speist sich für Norman aus Vorbildern. Vorbildern wie Marian Anderson, "die soviel kämpfen musste, um Künstlern, die nach ihr kamen, den Weg zu ebnen." Sie selbst hat Rassismus erlebt, sagt sie: "Aber Rassismus gibt es überall auf der Welt. Nicht nur in Amerika. Leider. Ich hoffe, eines Tages ist es vorbei."

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