Wir sind Helden: Zurück im ungeliebten Medienzirkus

Mit „Bring mich nach Hause“ legt die Band Wir sind Helden nach dreijähriger Pause ein überwiegend nachdenkliches Album vor.

Düsseldorf. Müsste man ein Wort finden für das, was Wir sind Helden in den vergangenen drei Jahren mit ihren Fans gemacht haben, fiele einem unwillkürlich der Begriff "Liebesentzug" ein.

Die Band, die die Nuller-Jahre geprägt hat wie keine andere deutsche Musikgruppe, verabschiedete sich Ende 2007 aus der Öffentlichkeit, hinterließ nur das dritte Album "Soundso" - laut Frontfrau Judith Holofernes "ein Stepptanz mit ausgestreckten Mittelfingern", aber auch "eine Rauchbombe, in deren Qualm wir uns hinter den großen Vorhang zurückgezogen haben".

Jetzt, nach einer Phase der inneren Einkehr, heißt es wieder: Bühne frei. Nur diesmal ohne Paukenschlag und Flitterregen. "Das neue Album ist sehr viel nachdenklicher", sagt Holofernes. "Es handelt vom Verlorengehen in den eigenen Wildnissen und den Grenzen, die man sich setzt."

Es ist nicht unbedingt ein ungewohnter Ton, den Wir sind Helden mit dieser Seelen-Safari anschlagen. Schon auf früheren Alben gab es Stücke, in denen leidenschaftlich gelitten und gehadert wurde. Sie waren allerdings in der Minderheit, eingekesselt von unbeschwerter Lebensfreude und genüsslicher Gesellschaftsschelte.

Dass das Kräfteverhältnis auf "Bring mich nach Hause" umgekehrt ausfällt, ist eine logische Folge der Erfahrungen, die Wir sind Helden im Medienzirkus Deutschland machen mussten. "Keiner von uns ist so sehr Selbstdarsteller, dass er es genießt, sich mit Haut und Haaren der Öffentlichkeit hinzugeben", fasst Gitarrist und Songschreiber Jean-Michel Tourette die Situation zusammen.

"Trotzdem war unsere Meinung plötzlich gefragt, und klar, im ersten Moment denkt man sich, dazu könnte ich vielleicht wirklich einen klugen Satz sagen." - "Aber das könnte mein Nachbar auch", bringt Holofernes seinen Gedanken zu Ende und muss lachen.

"Wir sind keine Politiker und wollen es auch nicht sein", fährt Tourette fort. "Sich dem Ganzen zu entziehen war die wichtigste Konsequenz, die wir aus unserem Beruf bisher gezogen haben." Und sie ist auf "Bring mich nach Hause" herauszuhören. Holofernes erzählt in ihren geistreichen Texten, die metrisch manchmal etwas ungelenk hinken und gerade deswegen so charmant sind, von verpassten Chancen und Lebenskonzepten, die sich als Trugschluss herausstellen.

Anders als auf "Soundso", wo die Band versuchte, Feindbilder wie Fremdbestimmtheit und gesellschaftlichen Druck trotzig niederzukrakeelen, geht es auf "Bring mich nach Hause" um die Erkenntnis, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Das ist manchmal kitschig ("Die Ballade von Wolfgang und Brigitte"), teilweise sogar entlarvend ("Kreise", "Die Träume anderer Leute"), aber nie pathetisch. Und genau das macht die besondere Qualität der Songs von Wir sind Helden aus.

Eine andere Erkenntnis hat Holofernes erst während ihrer Arbeit am Album kalt erwischt: "Dass die Texte auch etwas mit mir zu tun haben und nicht nur einfach Beobachtungen meiner Umwelt waren, das habe ich erst ganz spät gemerkt", sagt sie. "Nah am Feuer zu stehen und quasi ein Leben in Kunst zu führen, war zwar immer ein Traum von mir, aber eben nur einer von vielen. Auf anderen Ebenen habe auch ich schon den Traum anderer Leute gelebt."

"Bring mich nach Hause" ist aber nicht nur eine introvertierte Selbstbeschau. "Eine innere Depression ist auch immer ein Spiegelbild einer gesellschaftlichen Depression", sagt Holofernes. Mit ihren Texten entwirft sie einen ätzenden Abriss der Generation der 25- bis 45-Jährigen, die davon geprägt ist, Ideologien zu misstrauen, und sich trotzdem Lebenskonzepten unterwirft, in denen sie nicht glücklich wird.

Ist das Ganze dann ein vertonter Lebensratgeber? Nein, denn Musik kann keine Lösungen bieten. Sie kann aber Geborgenheit vermitteln. Und diese Kunst, nach einem Zuhause zu klingen, haben Wir sind Helden schon immer beherrscht.

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