Wie man den Punk wieder rettet

cd Das neue Album „21st Century Breakdown“ von Green Day.

Düsseldorf. Der 3. Juni 2005 und der 15. Mai 2009 gehören zusammen. Am 3. Juni 2005, 22 Uhr, betraten die US-Punks Green Day die Bühne bei "Rock am Ring". Die Vorfreude war mäßig: Jahrelange Bühnenabstinenz hatte sie in Vergessenheit geraten lassen. Im Radio waren die Songs des neuen Albums "American Idiot" schon tot rotiert worden. Und als tot galt auch der Punk: Zuletzt waren mit drei von vier Ramones-Brüdern und Joe Strummer seine Größten gestorben. Durch die Konzerthallen tobten all’ diese neumodischen "The"-Bands mit ihrem Garagenrock - viel zu sexy für Punk.

Zwei Stunden später spielten Green Day "We are the champions" - mit Frontmann Armstrong im Königsmantel unterm Goldkonfetti-Regen. Es war der letzte Song einer Band, die soeben 80000 Fans mit einem gigantischen Statement aus politischen Parolen, harter Musik und überdrehter Stadion-Show überrollt hatte. Parolen, hart, überdreht: Der Punk war zurück. Gerettet durch Green Day, die gestern, am 15.Mai 2009, ihr neues Album "21st Century Breakdown" veröffentlichten. Es ist ihre erste Platte seit damals.

Die Platte macht Green Day endgültig zum Phänomen, weil sie mit ihrer Vielfalt den Abschluss einer Entwicklung darstellt, die für das Genre einzigartig ist: Keine andere Band durchlief derart konsequent alle Phasen des Punk, tat sich an all seinen Facetten gütlich, bereitete ihn auf großen Bühnen auf - und blieb dabei so authentisch wie das Trio aus Kalifornien. Billie Joe Armstrong (Gitarre, Gesang), Mike Dirnt (Bass) und Tré Cool (Schlagzeug) schlossen sich Ende der 80er in San Franciscos zusammen, um ihren musikalischen Vorbildern Black Flag und Dead Kennedys nachzueifern. In der Szene um den alternativen "Club 924" entkamen sie dem Kleinstadtmief, wurden zur Hausband und veröffentlichten 1992 ihr Debüt "Kerplunk", das ihnen einen Vertrag mit dem Major-Label Reprise Records bescherte. 1994 kam "Dookie" heraus, und dank des Über-Hits "Basket Case" erlangten Green Day weltweit Bekanntheit.

Sie machten den Punk massenkompatibel. Die folgenden Platten "Insomniac", "Nimrod" und "Warning" waren Selbstläufer, ehe Green Day für vier Jahre verschwanden - und der Punk sich in sein Schneckenhaus aus winzigen Clubs verkroch. Und dann kam die Rock-Oper "American Idiot". Sie erzählte die Geschichte des von Amerika desillusionierten Teenagers "St. Jimmy" und wurde zum Manifest zahlloser Bush-Gegner.

Dann vergingen wieder Jahre, bis jetzt "21st Century Breakdown" erschien. Doch obwohl die 18 Titel der CD - eingeteilt in drei Kapitel - auch klassischen Rock und Balladen enthalten, ist es ein noch ambitionierteres Konzeptalbum als "American Idiot". Und weil sie damit dem Punk jene Kreativität wiedergeben, die er einst als aufregende Subkultur für sich propagiert und verloren hatte, haben Green Day den Punk gerettet. Wieder mal.

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