Was für ein reifer Klang!

Die Geigerin Anne-Sophie Mutter glänzt in der Tonhalle in Düsseldorf mit Mendelssohn.

Düsseldorf. Die Tonhalle war natürlich ausverkauft. Schließlich ist die Geigerin Anne-Sophie Mutter nicht alle Tage zu hören. Eine Analyse, wie sie wurde, was sie ist.

Es gibt Musikfreunde und Kritiker, die sich in Superlativen über Anne-Sophie Mutter äußern, etwa Joachim Kaiser. Manche stehen ihrem Geigenspiel skeptischer gegenüber, finde es etwa unterkühlt oder zu gekünstelt. Sie zählt auf jeden Fall seit den 70er Jahren zu den berühmtesten Musikerinnen der Welt. Und manches feinsinnig und mit musikalischer Tiefe gestaltete Live-Konzert sowie viele brillante Plattenaufnahmen dokumentieren die künstlerische Rechtmäßigkeit dieser enormen Popularität.

Bereits als Sechsjährige gewann sie den Bundeswettbewerb Jugend musiziert (1969). Nachdem sie im Jahr darauf wieder gewann, wurde sie gebeten, nicht mehr daran teilzunehmen, um auch anderen Geigern eine Chance zu lassen. Der internationale Durchbruch gelang ihr 1977 bei den Salzburger Pfingstkonzerten mit Mozarts G-Dur-Violinkonzert unter Herbert von Karajan. Es begann eine der größten Teenager-Karrieren der gesamten Klassikbranche. Bei den renommiertesten Labels nahm Mutter mit Karajan und den Berliner Philharmonikern alle bedeutenden Werke für Violine und Orchester auf.

Verglichen mit jungen Geigerinnen wie Hilary Hahn oder Janine Jansen besticht bei der mittlerweile 45-jährigen Anne-Sophie Mutter ein höherer Grad an künstlerischer Reife. Vor allem einige emotional differenzierte Momente, wo die musikalische Wahrheit zwischen den Tönen liegt, vermag sie wissend zu gestalten. Sie ist auch ein Pionier auf dem Gebiet der Neuen Musik. Viele zeitgenössische Komponisten, etwa der Pole Krzysztof Penderecki, haben für Mutter Konzerte und Solostücke geschrieben.

Anne-Sophie Mutter spielte eines ihrer Paradestücke, das Violinkonzert e-Moll von Felix Mendelssohn Bartholdy. Die Werkauswahl passte natürlich zum Jahr mit Mendelssohns 200. Geburtstag. Mit dem Oslo Philharmonic Orchestra unter Jukka-Pekka Saraste stand der Geigerin ein großartiger Klangkörper zur Seite.

Verglichen mit anderen Auftritten wirkte Anne-Sophie Mutter jedoch leicht indisponiert; mitunter geriet ihr die Intonation trübe. Auch das auffallend flotte Anfangstempo machte einen nervösen Eindruck. Solche Einwände beziehen sich freilich auf das eigentliche Spitzenniveau, auf dem Mutter sonst musiziert. Die brillante Technik und wunderbar beseelte Momente im Mittelsatz zeugten auch diesmal wieder von der besonderen Klasse.

Das Zusammenspiel hätte gelegentlich besser sein können. Doch beeindruckte das Oslo Philharmonic Orchestra durch seinen Gesamtklang. Bereits das brillante Eröffnungsstück, "Le Carnaval Romain" von Hector Berlioz, leuchtete hellauf. Schon unter der Leitung von Mariss Janson stiegen die Norweger zu einem Spitzenensemble auf. Und unter Saraste konnten sie das hohe Niveau sogar noch steigern. Ein ganzes Kaleidoskop an Klangfarben rückte die 1. Symphonie des Finnen Jean Sibelius in schönstes Licht.

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