Vier Kreativkräfte bitten zum Tanz

Pop: Fünf Jahre haben sich die überdrehten Nerds von OK Go Zeit für ihr drittes Album gelassen. Das Ergebnis ist vollendeter Power-Pop.

Es waren genau acht Laufbänder, die OK Go den Einzug in die Pop-Historie ebneten. Acht Laufbänder, auf denen das Power-Pop-Quartett aus Chicago zu seiner gut gelaunten Mitschnipp-Hymne "Here It Goes Again" waghalsige Choreographien vollführte, aufgenommen ohne Schnitt und deswegen so wahnwitzig und schier unglaublich.

Der Dreiminüter wurde 2006 zum meistgeklickten Musikvideo aller Zeiten auf YouTube, heimste im Folgejahr einen Grammy ein und sorgte im darniederliegenden ehemaligen Musikkanal MTV inmitten schriller und billig produzierter Reality-Formate für eine kurze Renaissance des Kunst-Clips. Leider liegt die Betonung auf "kurz" und nicht auf "Renaissance".

Woran OK Go auch selbst ein wenig schuld waren. Anstatt den flächendeckenden Aufruhr zu nutzen, um ihr damals aktuelles Album "Oh No" generalstabsmäßig zu vermarkten, tingelten sie weiter durch die kleinen Clubs in den USA. Ein bisschen so, als fürchteten die verschrobenen Indie-Popper den großen Ruhm, der ihnen vor der Nase herumtanzte.

"Wir versuchen, eine Do-It-Yourself-Band in einer Welt zu sein, in der große Plattenlabels keine große Bedeutung mehr haben", fasst Frontmann Damian Kulash den Anspruch seiner Combo zusammen. Mit einem Nachfolgewerk zierten sie sich entsprechend und tüftelten satte fünf Jahre an den 13 Songs, die sich nun auf "Of The Blue Colour Of The Sky" befinden.

Und genau diese Gelassenheit, sich von der Plattenfirma in kein Zeit-Korsett zwängen zu lassen, hört man dem Album an. Es sind regelrechte Pop-Sinfonien geworden, kreativ, vielschichtig, verschlungen und voluminös arrangiert. Von der erdigen, kindischen Leichtigkeit, die ihre ersten beiden Longplayer ausmachte, haben sich OK Go damit verabschiedet, allerdings ohne auf ihren Sinn für griffige Melodien zu verzichten.

Und auch visuell blieben sich die vier Herren treu. Das Video zur ersten Single-Auskopplung "WTF" ist wieder eine skurrile, diesmal farbsatte Augenweide. Wer Lust hat, die psychedelische Atmosphäre des Clips persönlich nachzuahmen, kann auf der Homepage der Band ein entsprechendes Tool herunterladen. So werden OK Go zum interaktiven Mitmachzirkus. "Unser ganzes Interesse gilt guten Ideen", bringt Kulash das simple Gesamtkonzept, das hinter seiner Band steht, auf den Punkt.

Ein bisschen sind die vier Herren damit auf dem experimentellen Level verblieben, auf dem Kulash und Bassist Tim Nordwind sich als Elfjährige im Interlochen-Arts-Camp, einem Ferieninternat für Kreative, kennenlernten. Aus dieser Zeit stammt auch der ungewöhnliche Bandname, der nichts anderes ist als der oft wiederholte Motivationsappell des lagerinternen Kunstlehrers. Immer, wenn die handverlesenen Nachwuchskünstler sich an die Arbeit machen sollten, rief er: "OK ... Go!"

Kulash und Nordwind blieben danach in Kontakt und bauten eine Brieffreundschaft auf, die sie dazu nutzten, untereinander selbst zusammengestellte Mix-Tapes auszutauschen. Ihr gemeinsames Verständnis für Musik ist damit über viele Jahre gewachsen.

In die Praxis umgesetzt wurde es allerdings erst ab 1998: Da hatten die beiden die Uni bereits hinter sich und gründeten mit ihren Ex-Kommilitonen Dan Konopka (Schlagzeug) und Andy Duncan (Gitarre) die Band Stanleys’s Joyful Noise, die allerdings schnell in das wesentlich eingängigere OK Go umbenannt wurde. Mit Duncan zerstritt man sich kurz nach Veröffentlichung des zweiten Albums, Andy Ross ersetzte ihn an Gitarre und Keyboard.

Das aktuelle Album wurde nun erstmals in neuer Besetzung eingespielt, und vielleicht war es die personelle Veränderung, die ihre Musik so stark hat reifen lassen. Manchmal brauchen selbst die begabtesten Kreativkräfte neuen Input.

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