Halbzeit für Ring-Projekt Umjubelte „Video-Walküre“ in Karlsruhe

Karlsruhe (dpa) - Normalerweise legen Opernhäuser eine Ring-Inszenierung in die Hand eines möglichst erfahrenen Regisseurs, um die Homogenität von Wagners unerschöpflichem Werk zu betonen.

Halbzeit für Ring-Projekt: Umjubelte „Video-Walküre“ in Karlsruhe
Foto: dpa

Das Badische Staatstheater in Karlsruhe hält mit einem Kontrastprogramm dagegen: Vier junge Regisseure, allesamt nicht älter als 40 und alle Wagner-Debütanten, sollen einen „Ring der Vielfalt“ zeigen und neue, frische Sichtweisen eröffnen. Nach der von der Kritik begeistert aufgenommenen Inszenierung des „Rheingold“ durch den Deutsch-Franzosen David Hermann sorgte am Sonntagabend Yuval Sharon für eine vom Premierenpublikum umjubelte „Walküre“.

Während Hermann in seinem „Rheingold“ ein differenziertes Familien-Kammerspiel unter Göttern bot, greift der multimedial arbeitende US-Amerikaner Sharon für die romantischste der Ring-Opern tief in die Multimedia-Kiste. Da öffnen sich die Türen einer Zimmerflucht für immer neue Auftritte, Schattenspiele und Videos. Der zentrale Konflikt zwischen Göttervater Wotan und seiner auf die Unverbrüchlichkeit der Ehe pochende Gattin Fricka findet auf einer scheinbar endlosen Rolltreppe statt. Sharons „Walküre“ bietet oberflächliches Augenfutter, hat aber auch Sinn für die psychischen Abgründe der so menschlichen Götter.

Einen umwerfenden optischen Höhepunkt bietet der Auftakt des dritten Aktes: der populäre, auch als Filmmusik rauf und runter gespielte „Walkürenritt“. In Karlsruhe findet die Jagd von Wotans Amazonen im Winter statt. Sie landen an Fallschirmen im dichten Schneegestöber auf dem Walkürenfelsen. Als Video-Projektion in Breitwand und Farbe erlebt man den Angriff einer weiblichen Gebirgsjägereinheit. (Video: Jason H. Thompson/Bühne: Sebastian Hannak)

Für die heiklen Rollen der Brünnhilde und des Siegmund hat man sich zwei prominente Gäste geholt. Der Brite Peter Wedd ist ein echter Heldentenor, der zu Beginn etwas zu sehr auf bloße Deklamation setzt, sich aber allmählich frei singt. Die US-amerikanische Sopranistin Heidi Melton singt eine brillante Brünnhilde. Kein Wunder, dass sie auch in Bayreuth und New York gerngesehener Gast ist. Das Badische Staatstheater ist in der glücklichen Lage, alle anderen Rollen mit Solisten aus dem eigenen Haus zu besetzen. Katherine Broderick (Sieglinde), Ewa Wolak (Fricka), Renatus Meszar (Wotan) und Avtandil Kaspeli (Hunding) - alle singen auf höchstem Niveau.

Musikalischer „Chef im Ring“ ist aber eindeutig Dirigent Justin Brown. Er hat sich zu Recht den Ruf eines führenden Wagner-Dirigenten erarbeitet. Zusammen mit seiner Badischen Staatskapelle bietet er einen „Ring“ aus einem Guss. Die Soli der Holzbläser mit ihren dunklen Wagner-Farben erklingen delikat. Streicher und Blechbläser sorgen für die satte Grundierung und für immer kultivierte Fortissimo-Ausbrüche, ohne die Solisten zuzudecken.

Im Juni 2017 soll der neue Karlsruher „Ring“ mit „Siegfried“ in einer Inszenierung des Isländers Thorleifur Örn Arnarsson fortgesetzt werden. Zum Abschluss ist dann im Oktober 2017 die „Götterdämmerung“ in der Regie von Tobias Kratzer vorgesehen, der 2019 in Bayreuth den „Tannhäuser“ inszenieren wird.

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