Über Bayreuth spricht man wieder

Bayreuth (dpa) - Es ist immer noch heiß in Bayreuth. Aber der Premierenzyklus ist vorbei. Jetzt wiederholt sich das Programm bis zum 28. August. Zeit zum Durchatmen, auch wenn im Festspielhaus spätestens zum zweiten Aufzug der Sauerstoff knapp wird.

Aber wer hier sitzt und durchhält, der nimmt Richard Wagner ernst.

Bei den Regisseuren, die sich derzeit in Bayreuth an Wagner abarbeiten, darf man sich da nicht so sicher sein: Die respektlose Herangehensweise, mit der Frank Castorf den mit Spannung erwarteten neuen „Ring des Nibelungen“ inszeniert hat, lässt ja nur einen Schluss zu: Das Wagnersche Mammutwerk findet er nicht überhöhenswert, er muss davor nicht auf die Knie gehen, er muss auch gar keinen zusammenhängenden Bogen finden. Er kann Ideen und Assoziationen auf die Bühne knallen, Verfremdungen und Brüche erzeugen.

Die eingefleischten Wagnerianer quittierten Castorfs Arbeit nach Abschluss der Tetralogie mit stürmischem Protest. Kultivierte Klassikliebhaber kauften sich sogar Trillerpfeifen, als wären sie empörte Fans einer abstiegsbedrohten Fußballmannschaft.

Der Festspielleitung kann's recht sein - es wird wieder kontrovers diskutiert in und über Bayreuth. Und musikalisch gibt es ja nichts zu mäkeln - im Gegenteil. Kirill Petrenko hatte als Debütant auf dem Grünen Hügel keinerlei Probleme, er fand zu seinem ganz eigenen, faszinierenden Klang. Damit macht er dem Bayreuther Hausdirigenten Christian Thielemann durchaus Konkurrenz.

Thielemann, der offiziell auch als musikalischer Berater der Chefinnen Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier firmiert, beschränkt sich in diesem Jahr darauf, den nur auf knapp zweieinhalb Stunden angesetzten „Fliegenden Holländer“ zu dirigieren. Da hat Petrenko mit seinen 15 Stunden „Ring“ deutlich mehr Präsenz im Graben, auch Axel Kober („Tannhäuser“) und Andris Nelsons („Lohengrin“) dürfen sich ausführlicher der Musik widmen.

Wer nimmt Wagners Werk überhaupt noch ernst? Sebastian Baumgarten mit seinem umstrittenen „Tannhäuser“ wohl kaum. Die Deutung floppte auch im dritten Jahr. Jan Philipp Gloger wagt mit dem „Holländer“ dagegen eine ernsthafte Auseinandersetzung; seine Idee, den rastlosen Seemann als Geschäftsreisenden unserer Zeit zu zeigen, ist schlüssig. Viele finden sie aber zu brav umgesetzt.

Aber zum Glück gibt es ja noch den „Lohengrin“. Diese 2010 erstmals vorgestellte Inszenierung lässt niemanden kalt, obwohl sie in der kühlen Atmosphäre eines Labors spielt. Aber gerade hier können die Sänger Emotionen entfalten, kann die Musik wirken. Herausragend agierte in der Titelpartie Klaus Florian Vogt, der am Freitagabend frenetisch gefeiert wurde. Keine Frage, er ist Bayreuths Bühnenheld. Die Konzeption von Regisseur Hans Neuenfels ist stimmig, die Figuren können sich entwickeln, die Erzählung hin zum Showdown folgt einer klugen Dramaturgie. Auch so lässt sich Wagner deuten.

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