Tom Odells Piano-Pop - das nächste große Ding?

Berlin (dpa) - Schon Monate vor Erscheinen seines Debüts erhielt der junge Brite Tom Odell reichlich Vorschusslorbeer. Die Auszeichnung mit dem begehrten Nachwuchspreis „BRITs' Critics Choice Award“ macht schon mehr Sinn, wenn man dieses Album nun endlich hört.

Odells Piano-Pop erfindet zwar das Rad nicht neu (was auf diesem seit Elton John, Billy Joel und Randy Newman gründlich vermessenen Feld auch schwer fallen dürfte). Aber das Dutzend Songs von „Long Way Down“ (Sony) ist doch mehr als nur eine nette Talentprobe eines ansehnlichen blonden Singer/Songwriters am Klavier. Zwischen dem (wesentlich wagemutigeren, leider kaum bekannten) Landsmann Ed Harcourt, Rufus Wainwright (ohne Queer-Bombast) und der Stadionband Coldplay sucht sich Odell seinen Weg.

Der erst 22-jährige Pianist mit der attraktiv-dramatischen Stimme hatte wohl auch Glück, dass seine Karriere nun einen rasanteren Verlauf erlebt als die des erwähnten Harcourt. Britpop-Star Lily Allen nahm ihn bei ihrem Label unter Vertrag, danach gab er sein TV-Debüt bei der beliebten BBC-Musiksendung „Later...with Jools Holland“, und er tourte mit Singer/Songwriter-Wunderkind Jake Bugg.

Odells Label vergisst nicht zu erwähnen, dass der junge Mann als großer Musikfan mit Herzblut die Regale des Londoner Plattenladens Rough Trade durchwühlt, dass er auch Schriftsteller wie Jack Kerouac oder Ernest Hemingway verehrt und für Filmemacher wie Woody Allen oder Wes Anderson schwärmt. Soll wohl heißen: Ein ganz heller Junge, und geschmackssicher noch dazu.

Das wäre nun alles ohne Belang, wenn die Songs nichts taugten. Aber bis auf wenige kleine Ausrutscher (immer wenn Odell sich zu sehr der Coldplay-Seite seines Spektrums nähert), spricht diese Liedersammlung durchaus für die Qualitäten des Newcomers.

Die aufwendige Produktion scheut auch gelegentliches Gospel-Pathos nicht („Grow Old With Me“, „Till I Lost“), die Balladen kommen ohne Kitsch aus, selbst bei einer Coverversion von Randy Newmans „I Think It's Gonna Rain Today“ verhebt Odell sich nicht. Und dass der Mann erstklassig Klavier spielen und singen kann, wurde hier schon angedeutet.

Tom Odell selbst hofft, dass sein erstes Album „hier und da auch Fehler enthält - denn diese kleinen Unperfektheiten machen es zu dem, was es ist“. Eine sympathische Aussage, die zeigt, dass der junge Brite sich nicht überschätzt. An Eigenständigkeit fehlt es ihm sicher noch. Gleichwohl: „Long Way Down“ ist ein keineswegs perfektes, aber doch sehr vielversprechendes Debüt. Konzerte im Spätherbst: 6.11. Berlin, Kesselhaus; 12.11. Hamburg, Uebel & Gefährlich; 16.11. München, Theaterfabrik; 26.11. Köln, Essigfabrik.

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