Rock: Bloc Party - Mit ungebremster Angriffslust

Mit „Intimacy“ gelingt Bloc Party ein kraftvolles Album, auf dem sie die Stärken ihrer ersten beiden Longplayer, rohen Punk und kühle Soundästhetik, passgenau zusammenfügen.

Düsseldorf. Der Schock saß tief, als die Indie-Rock-Helden von Bloc Party im November vergangenen Jahres "Flux" veröffentlichten. Die albumlose Single war gitarrenfrei, vocoderverzerrt, dumpf pumpend, schlicht Euro-Dance-Stuss, so zumindest das vielerorts kolportierte, vernichtende Urteil.

Selbst hartgesottene Fans waren nicht bereit, dem Song eine zweite Chance zu geben. Hätten sie es getan, hätten sie gemerkt, welche knackig gute Melodie dem oberflächlich nach Großraumdisko klingenden Dreiminüter innewohnt. Was zählt, ist allerdings der erste Eindruck.

Genau nach dieser Maxime verfuhr das Londoner Quartett auch bei den Vorbereitungen für das dritte Album. Das, was bei den Jamsessions zuerst nach Song klang, kam auch aufs Album. Mehr als elf Tracks sollten es nicht werden. "Intimacy", so der Titel, erscheint deswegen lediglich 18 Monate nach dem letzten Bloc-Party-Werk, dem sperrigen "A Weekend in the City".

Bedenken, sie könnten sich durch die hohe Schlagzahl verheizen, zerstreuten sie. Das Material war fertig. Warum es ein halbes Jahr liegen lassen? Produktivität ist schließlich nichts, wofür man sich schämen muss.

Um das zu unterstreichen, ließen sie sich auf ein Wagnis ein. Über ihre Website vertrieben sie das Album bereits seit Ende August für 7,99 Euro.

Nicht unbedingt neu diese Idee, aber immer noch eher ungewöhnlich. Radiohead hatten vergangenes Jahr damit begonnen, als sie "In Rainbows" zunächst im Netz veröffentlichten. Den Preis überließen die Avantgarde-Rocker dem Käufer, praktisch war das Album damit kostenlos zu haben.

So weit wollten Bloc Party nicht gehen. Musik sei ein kreativer Akt, etwas, für das Menschen, denen das Ergebnis zusagt, auch bezahlen sollten. Nicht zuletzt sind Bloc Party an einen Plattenvertrag gebunden, also verpflichtet, Umsatz zu machen. Radiohead waren das damals nicht.

Über genaue Zahlen, wie oft "Intimacy" heruntergeladen wurde, hüllt sich die Band in Schweigen. Es spielt auch keine Rolle. Den Löwenanteil macht im Musikgeschäft immer noch körperliche Veröffentlichung in Form von CD und LP aus, die gestern stattfand.

Spannend wird jetzt sein, wie stark der Absatz sich gestaltet, wenn die Tracks bereits seit zwei Monaten im Web kursieren. Bloc Party geben sich gelassen, so wie es sich für Musiker gehört, deren Songs man anhört, dass da jemand nachgedacht hat, bevor in die Saiten gehauen wurde.

Dem Zufall haben sie nur wenig überlassen. Lediglich der Impuls, eine Band zu gründen, war spontan, als Frontmann Kele Okereke und Leadgitarrist Russell Lissack sich 1999 auf dem Reading Festival trafen und feststellten, dass ihre Musikvorlieben deckungsgleich waren.

Danach wurde generalstabsmäßig geplant, eine Annonce bescherte ihnen ihren Bassisten Gordon Moakes, Drummer Matt Tong war das Ergebnis eines Castings.

Auch in Sachen Breitenwirkung gingen sie gezielt vor, ließen ein Demo ihres ersten Songs "She’s Hearing Voices", bis heute auch einer ihrer besten, dem BBC 1-Moderator Steve Lamacq und Franz-Ferdinand-Sänger Alex Kapranos zukommen.

Innerhalb kürzester Zeit waren Bloc Party eine der gefragtesten Bands der Insel, was 2005, dem Jahr ihres Erscheinens, keine Selbstverständlichkeit war, zeigte sich die britische Popmusik mit den Kooks, den Kaiser Chiefs, Maximo Park und Hard-Fi so innovativ und angriffslustig wie schon lange nicht mehr.

Bloc Party konnten sich aber nicht nur behaupten, sie fanden sogar eine eigene Nische, nämlich die der nachdenklichen, experimentierfreudigen Schöngeister, deren politisches Statement die neue Lust an kraftvollen, verstörenden Soundgebilden war, die aufgrund ihrer Wucht als Post-Punk eingeordnet wurde.

Diese Kategorisierung ließen sie sich nur widerwillig gefallen, zu breit gefächert sind die musikalischen Einflüsse, die sich nun auch auf "Intimacy" bemerkbar machen: Hip-Hop, Punk, Ska, New Wave, Breakbeats, eben alles, was sich zu nachhallendem Lärm-Protest generieren lässt, ohne das große Ziel, die Melodie, aus den Augen zu verlieren.

Mit "Intimacy" werden sich Bloc Party endgültig etablieren - anpassen werden sie sich deswegen aber noch lange nicht.

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