Peter Doherty: Der verlorene Sohn kehrt zurück

Die Babyshambles präsentieren ein vielseitiges Album. Peter Doherty singt mit neuer Kraft, die Songs schäumen vor Ideen über. Womöglich hat er sich gefangen?

Düsseldorf. Haftstrafen, Drogenexzesse, Skandalbeziehungen. Das öffentliche Bild des Peter Doherty ist kein gutes. Dabei gäbe es auch eine andere Geschichte zu erzählen: die von Doherty, dem Musiker. Eine positive Geschichte. Eine, die Aussicht auf ein gutes Ende hat.

Dass stattdessen immer wieder die Story des ausschweifenden Beaus aufgetischt wird, hat Folgen. Zum einen hat die Sensationspresse Doherty weitaus populärer gemacht, als es jeder andere Frontmann einer Indierock-Band ist.

Zum anderen geriet sein musikalisches Schaffen bei vielen zu einer Art krudem Beiwerk — Ausdruck eines eskapistischen, selbstverliebten Schnösels. Wer in Sachen Klatsch und Tratsch auf dem Laufenden ist, kennt kaum Hits wie „What a Waster“ oder „Albion“. Bei dem Namen Doherty aber winkt er bescheidwisserisch ab . . .

Dabei hat dieser bisher ausschließlich gute bis fantastische Platten vorgelegt. Gemeinsam mit Carl Barât und den Libertines hat Doherty dem dahinsiechenden Garagen-Rock neuen Atem eingehaucht. Mit den Babyshambles setzte er dieses Werk ab 2004 etwas glatter, etwas poppiger fort. Und 2009 bewies der heute 34-Jährige mit „Grace/Wastelands“ seine Fähigkeiten als Songwriter und sein Gespür für zarte Melodien.

Vom neuen Album „Sequel to Prequel“ haben sich dennoch wohl nur eingefleischte Fans etwas erhofft. Zu unstet, zu skandalträchtig waren die vergangenen Jahre. Wer nichts erwartet, kann auch nicht enttäuscht werden.

Doch das Album ist alles andere als eine Enttäuschung. „Sequel to Prequel“ ist vor allem eins: vielseitig. Die sechsjährige Bandpause scheint allen Beteiligten gut getan zu haben. Doherty singt mit neuer Kraft, die Songs schäumen vor Ideen nur so über. Genre-Vielfalt und instrumentaler Reichtum ergänzen sich prima.

Zuletzt präsentierte die Band sich in Deutschland auf der Melt!-Festival-Bühne. Pünktlich. Völlig frei von negativen Schlagzeilen. Musikalisch überzeugend. Fast langweilig für ’Shambles-Verhältnisse, zumindest aber ungewohnt seriös.

Der Weg von kurzfristigen Konzertausfällen zu diesem Mindestmaß an Zuverlässigkeit war nicht vorauszusehen; dass es je wieder eine Babyshambles-Platte geben würde, war lange unklar. Einerseits, weil Doherty nach Paris gezogen war, während der Rest der Band in London blieb. Andererseits, weil Bassist Drew McConnell bei einem Fahrradunfall im Juli 2011 schwer verletzt wurde. Doherty spricht rückblickend von einem Scherbenhaufen: „Wir kamen uns vor wie Schiffbrüchige.“

Es galt, wieder zueinander zu finden — als Band, die von einigen längst verloren geglaubt war. Gitarrist Mik Whitnall bekennt: „Ich persönlich kam vor gar nicht allzu langer Zeit an diesen berühmten Punkt, an dem man denkt: Okay, das war’s dann wohl. Die Babyshambles sind endgültig Vergangenheit.“

Stattdessen trafen Doherty und McConnell sich dann und wann, tranken Tee, quatschten über alte Zeiten und über Musik. Sie spielten sich gegenseitig neue Song-Ideen vor — und waren begeistert voneinander. Den Rest erledigte die Gruppe. Gitarrist Mik Whitnall steuerte Ideen bei, ein paar Songs („Minefield“, „Fall From Grace“) schrieb der befreundete Musiker John Robinson, Stephen Street (Blur, The Smiths) produzierte, und das Album-Cover gestaltete der britische Künstler Damien Hirst.

So geschieht es, dass die Geschichte von Peter Doherty tatsächlich eine positive Wende nimmt. Bleibt zu hoffen, dass diese Geschichte noch lange nicht zu Ende erzählt ist. Das nächste Kapitel jedenfalls steht schon im Januar an: Dann spielen die Babyshambles ihre Deutschland-Tour.

>>> Das Album erscheint am 30. August. Live-Auftritt: 27. Januar 2014, Live Music Hall, Köln

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