Neues Album von Chima: "Stille" - was lange währt, wird endlich gut

Chima, einst Mitglied der Brothers Keepers, hat sich mit seinem dritten Solo-Album sieben Jahre Zeit gelassen. Mit Erfolg. „Stille“ liefert Ohrwurm-Pop für alle Lebenslagen.

Düsseldorf. Und plötzlich, wie aus dem Nichts, ist Chima mit einer neuen Platte wieder da — ein Befreiungsschlag für den Sänger. Still war es um den 39-Jährigen geworden. Sieben Jahre sind seit seinem letzten Album vergangen. Sieben Jahre, in denen Chima viele schwere Stunden durchlebt hat, in denen er an sich und seinem Künstler-Dasein zu zweifeln begann. Doch jetzt ist er zurück. Zuversichtlicher und gelöster denn je — und dazu mit einem Album, das wohl keinen passenderen Namen tragen könnte.

„Stille“ lautet der Titel, ganz puristisch, und er fasst all das zusammen, was Chima momentan empfindet: „Stille, alles ist gesagt. Stille, das bedeutet Leere und Erleichterung in einem“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung.

Der Weg zur Stille, zur Leere, zur Erleichterung war kein leichter. Rückblick ins Jahr 2000: Der gebürtige Nigerianer Chimaobinna Enyiakanwanne Onyele, kurz Chima, wird als Mitglied der Hip-Hop- und Soul-Gruppe Brothers Keepers über Nacht bekannt. Unter dem Dach des als Verein eingetragenen Kollektivs engagieren sich verschiedene Künstler, darunter auch Xavier Naidoo, Afrob oder Gentleman, gegen Rassimus. Die Formation bringt den Song „Adriano (Letzte Warnung)“ heraus — im Gedenken an den Mosambikaner Alberto Adriano, der am 10. Juni 2000 in einem Dessauer Park von Neonazis getötet wurde.

Die Single klettert bis auf Platz vier der deutschen Charts und verkauft sich 200 000 Mal. Doch Chima wird das Bandgefüge zu eng, ihn zieht es weiter. 2002 erscheint sein Solo-Debüt „Reine Glaubenssache“. 2005 folgt das Album „Im Rahmen der Möglichkeiten“. Doch der große Durchbruch bleibt aus. An der Musik aber will der Sänger festhalten.

Harte Zeiten brechen für ihn an: Die Arbeit an seinem neuen Album gerät immer wieder ins Stocken. Mit verschiedenen Jobs versucht Chima, sich finanziell über Wasser zu halten. Angst und Verunsicherung sind ständige Begleiter — und über allem der Gedanke, wie es weitergehen soll. „Ich hatte mich mit meinen Zweifeln arrangiert“, sagt Chima heute. Doch aufgeben kommt für ihn nicht infrage. Der Sänger macht weiter. Kämpft sich durch Krisen und dunkle Momente.

Nach und nach entstehen weitere Songs für das neue Album. „Ich habe diese Mentalität, dass ich das Ziel, das ich mir gesetzt habe, erreichen muss. Denn ich weiß, dass ich sonst nicht glücklich werde. Wenn ich mir am Ende die Frage stelle, ob ich es wirklich mit aller Kraft versucht habe, will ich mit ,Ja’ antworten können.“

Und das kann Chima. Die erste Single „Morgen“ aus seinem neuen Album hat es in die Top 30 der deutschen Charts geschafft. Auf den Playlists der Radiosender ist der Song ein Dauergast. Doch Chima geht es nicht so sehr um den kommerziell messbaren Erfolg: „Ich wollte einfach immer Musik machen und davon selbstbestimmt leben können“, sagt er. „Celebrity wollte ich nie sein. Trotz des ganzen momentanen Hypes bin ich weiterhin ein völlig normaler Mensch.“

Und wenn man dann auf einmal während der EM vor Hunderttausenden von Menschen auf der Berliner Fanmeile auftritt? „Ob ich vor 5000, 10 000 oder 400 000 Menschen stehe, ist egal. Ich singe immer für eine Person“, sagt Chima selbstsicher. Und dieses Gefühl vermittelt auch sein neues Album. Die Musik des Sängers ist nicht auf Außenwirkung angelegt, sie will nicht selbstgefällig sein, sich nicht anbiedern.

Im Kern kreist sie um Chima, um sein Selbstverständnis als Künstler, und ist damit zugleich auch eine musikalische Dokumentation von Höhen und Tiefen der vergangenen Jahre.

Die Single „Morgen“ ist ein Beispiel dafür. Chima besingt darin auf ironische Weise die Prokrastination, das Phänomen des ständigen Aufschiebens, das jeder aus seinem eigenen Leben kennt.

„Der Song hat natürlich eine autobiographische Komponente“, sagt der 39-Jährige. „Ich war ja nie komplett träge. Aber statt meiner Platte habe ich dann halt andere Sachen gemacht, Fensterputzen zum Beispiel. Es ging um die Fassade, beschäftigt zu sein, obwohl ich es nicht war“, weiß er heute.

So wie in „Morgen“ findet sich in allen Songs der Bezug zum Sänger. Sehr persönlich ist das Album dadurch geworden — aber nie aufdringlich oder verkitscht selbstreflexiv. „Ich bin ein bisschen uneiteler bei der Wahl der Themen geworden. Ich will vor allem nah beim Menschen sein“, sagt Chima. Der Anspruch an sein eigenes Werk ist dabei recht pragmatisch: „Es gibt Blockbuster und Autorenfilme. Tolle Filme sind aber die, die beides sind. Und so sollte auch meine CD werden.“ Ohne Zweifel — das ist ihm gelungen.

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