Neues Album von Bruce Springsteen: Düstere Stimmung beim Boss

Auf seinem neuen Album singt Bruce Springsteen über die sozialen Zustände in den USA.

Düsseldorf. Barack Obama hat’s gewusst: „Ich bin der Präsident, aber er ist der Boss.“ Und der Boss hält seine Rede zur Lage der Nation. „Wrecking Ball“ („Abrissbirne“) heißt das 17. Studio-Album von Bruce Springsteen, auf dem er „den Abstand zwischen der amerikanischen Realität und dem amerikanischen Traum abmisst“.

Der Abstand ist für sein Gefühl sehr groß. Und das Maß ist voll. Der Boss ist wütend und schwingt die Abrissbirne auf seinem Album, das am Freitag erscheint (Sony/Columbia).

Springsteen zählte zu den großen Unterstützern Obamas. Auch wenn er sich vom US-Präsidenten nicht abgewandt hat, glücklich kann Obama nicht sein.

Frönte Springsteen auf dem Vorgänger „Working on a dream“ noch dem Roy-Orbison-Pop, packt er nun den Protestsänger aus, der ein ungeschminktes Bild der USA von heute zeichnet. „Where’s the promise from sea to shining sea?“ fragt er in „We Take Care Of Our Own“, der ersten Single-Auskopplung. Eine Antwort gibt er nicht.

Die Stimmung düster, die Aussichten trüb — doch Springsteen, längst selbst ein amerikanischer Mythos, gibt sein Land nicht kampflos auf. Doch vor dem Hoffnungsschimmer hat der Boss den Schweiß gesetzt — und die Abrechnung.

Springsteen lässt in dem von Ron Aniello produzierten Album textlich seine Wut heraus. Musikalisch eine Mischung aus Blues und Folk mit einer Prise Woody Guthrie beklagt er in „Shackled and down“, dass auf dem „Banker’s Hill“ die Party abgeht. „Easy Money“ ist eine Abrechnung mit den „fat cats“ („fetten Katzen“) an der Wall Street und deren kriminellen Machenschaften.

Da darf der Boss schon mal böse werden, dessen Erzähler im herzzerreißenden Walzer „Jack of all trades“ droht, nach der Waffe zu greifen. Seine Lösung in „Death to my Hometown“: „Send the robber barons straight to hell“ („Schickt die Raubritter in die Hölle“).

Und was man sowieso braucht — und das ist Springsteen’sches Gesetz — in Zeiten wie diesen, raunt er, scheinbar erschöpft, in „This depression“: „This is my confession, I need your heart in this depression“.

Eine waidwunde Gitarre leidet dazu. Die Zuversicht des Mannes aus New Jersey transportiert der Zug, der durch „Land of hope and dreams“ stampft. Es ist eine Trost spendende Hymne mit scheppernden Gitarren und Orgel. Und es hat ein Solo, das den Fan schlucken lässt: ein letztes Mal Clarence „Big Man“ Clemons am Saxophon.

Elf Songs — zwischen breitbeinigem Rock, kantigem Folk-Blues, zartem Walzer mit einer Prise Country — ist das Album lang. Es lebt von seinen Texten. Mit der Musik — neben klassischen Zutaten auch viele Geigen, bisweilen zu viel Gospelchor — verstört Springsteen zum Teil.

„Es ist ein Experiment“, hatte vor der Veröffentlichung sein Haus-Gitarrist Little Steven gemeint. Ein spannendes Experiment, ein kraftvolles allemal. Aber vor allem ist das Album ein Versprechen: Der Boss achtet auf seine Werte. Das unterscheidet ihn von den Spekulanten auf dem Banker’s Hill.

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