Mikroboy: Zwischen Hoffnung und Verzweiflung

Die Berliner Band Mikroboy hat ihr zweites Album „Eine Frage der Zeit“ genannt. Sänger Michael Ludes erzählt im Gespräch mit unserer Zeitung von der Entstehung.

Düsseldorf. Texte voller Verzweiflung, in denen die Suche nach sich selbst und dem Sinn des Lebens bestimmend ist — dazu eingängige Melodien, die hoffnungsvoll und positiv stimmen. Ein krasser Kontrast.

„Ich mag das Spiel mit Gegensätzen“, erklärt Michael „Michi“ Ludes, Texter, Gitarrist und Sänger der Band Mikroboy, kurzweg. Klingt irgendwie logisch aus dem Mund eines 30-Jährigen, der beim Gespräch über das neue Album „Eine Frage der Zeit“ voller Euphorie ist und gleichzeitig erklärt: „Ohne die Musik wäre ich verdammt verzweifelt. Sie ist meine Therapie.“

Dass er das wörtlich meint und keine abgedroschenen Künstlerphrasen von sich gibt, wird spätestens deutlich, wenn man den Text des Songs „Herzen aus Holz“ hört.

„Darin geht es vor allem um die Krankheit Depression und das Gefühl der Mittelmäßigkeit, das sie einem vermittelt“, erzählt Ludes aus eigener Erfahrung. Für ihn bedeutet das Album Verarbeitung. Angefangen mit der eigenen Pubertät in der aktuellen Single-Auskopplung „Wann bleibst Du endlich“ bis hin zu der Frage, wie unbedeutend die eigene Existenz in Anbetracht der vorbei rasenden Zeit wirkt. „Zugegebenermaßen enthalten einige Lieder viel Pathos“, sagt der Frontmann lachend. Aber die leichten Melodien, die Songs wie „Ein einzelnes Atom“ zu Pop-Hymnen zum Mitsingen machen, wiegen dies auf.

„Ich denke, das ist unsere größte Entwicklung seit unserem ersten Album, dass die Songs einfacher strukturiert und damit eingängiger sind.“ Böse Zungen mögen behaupten, zu eingängig und einfach, „aber das finde ich gerade gut. Durch die Lyrik der Texte sind sie nicht vorhersehbar“, verteidigt Ludes.

Die Entwicklung von Mikroboy, die auch schon an Stefan Raabs Bundesvision Songcontest teilgenommen haben, ist nicht zuletzt auf die ganz persönliche Entwicklung des Wahl-Berliners Ludes zurückzuführen, der seit seinem zwölften Lebensjahr Musik macht. Aber erst nach seiner kaufmännischen Ausbildung hat Ludes mit Anfang zwanzig den Weg des Berufsmusikers eingeschlagen. Die Songs sind sein eigenes Produkt, selbst getextet, komponiert und grob eingespielt. „Dann sende ich den anderen beiden meine Idee, und im Probenraum oder bei den Aufnahmen wird sie umgesetzt.“

Die anderen beiden bei Mikroboy sind Bassist Kai Steffen Müller und Schlagzeuger Tobias Noormann, die viel Verständnis für die Alleingänge von Ludes haben. „Das war auch immer so eine Prämisse bei neuen Bandkollegen, dass sie das akzeptieren müssen.“ Er sieht sich selbst nie „nur“ als Sänger, „ich habe Lieder immer schon als Ganzes betrachtet“. Diese Arbeitsweise ist für Mikroboy letztlich auch praktikabel, da Bassist Müller in Hamburg lebt und Schlagzeuger Noormann in Wiesbaden.

Auf der Bühne werden die Jungs von zwei weiteren Musikern unterstützt, vor allem bei den typischen Synthie-Klängen. „Ursprünglich ist die Band als ein Elektro-Projekt entstanden. In den Anfängen wurden dann 30 Synthesizer-Spuren instrumental umgesetzt. Heute entstehen die Lieder schon mit dem Bandkontext im Hinterkopf“, erklärt der Sänger.

Und das ist deutlich zu hören: Bei rockigen Indie-Balladen wie „Solange der Mut den Zweifel schlägt“ lässt sich erahnen, dass Ludes’ musikalische Einflüsse aus dem Punk-Bereich stammen. Bei solchen Songs ist nichts von Verzweiflung zu spüren, auch wenn Selbstzweifel sein ständiger Begleiter sind. „Aber das ist auch gut, weil sie Ansporn sind und dazu führen, sich immer wieder selbst zu hinterfragen“, erklärt der 30-Jährige. Dabei scheint der Text des Liedes mit Zeilen wie „Solang’ das Eis uns noch trägt. Solang’ der Körper sich bewegt. Solang’ die müden Beine tragen und der Mut den Zweifel schlägt“ programmatisch zu sein — für das neue Album und für Mikroboy.

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