Mando Diao: Tanzen, und zwar alle!

Für ihr neues Album „Give Me Fire“ haben sich Mando Diao in die Niederungen der 70er-Jahre-Disco hinab gewagt. Das Ergebnis: Ein Hit reiht sich an den anderen.

Düsseldorf. Dieses Gespräch hätte man am besten in einem Partykeller geführt. So einem leicht muffeligen Raum, in dem der Zigarettenrauch aus 25 Jahren hängt, in der einen Ecke eine Eckbank aus Buchenimitat, gegenüber die aus Pressholzplatten zusammen gezimmerte Bar.

Auf der Theke in gleichmäßigem Abstand fünf Aluminiumaschenbecher, in der Hand jeweils ein Jägermeister. Das wäre die perfekte Atmosphäre, um über 70er-Jahre-Disco und millionenfach mitgegrölte Fetenklassiker zu sprechen.

Stattdessen sitzt Gustaf Norén, einer der beiden Sänger von Mando Diao, in einem Berliner Hotelzimmer, in dem das strahlend weiße Oberbett an der linken Seite akkurat umgeschlagen liegt. "Ich sehe von Berlin immer nur Hotelzimmer", beschwert er sich über die im Vorfeld von Albumveröffentlichungen üblichen Interviewmarathons. Weil es ein Telefonat ist, kann man nicht erkennen, ob er es ernst meint. Wahrscheinlich eher nicht.

Was als nächstes kommt, möchte man allerdings noch viel weniger glauben: "Boney M. ist eine der coolsten Bands, die ich kenne." Bitte? Frank Farian sei’s ja gegönnt, dass er auch 30 Jahre nach "Rivers of Babylon" immer noch neue Fans generieren kann. Aber mal ernsthaft! "Rasputin", "El Lute", am besten noch "Mary’s Boy Child"? Das sollen Mando Diao in den vergangenen Monaten gehört haben?

"Super", freut sich Norén am anderen Ende der Leitung. "Das sind richtig gute Songs." Am besten erstmal so stehen lassen. Zur Not kann man ja noch mal darauf zurückkommen.

Bei Mando Diao spielte nämlich bislang immer auch die Heimat eine tragende Rolle, das zentralschwedische Borlänge. Das letzte Album "Never seen the Light of Day" zog sie aus der Industrie-Tristesse raus vor die Tore der Stadt ins unwegsame Vorland. Ein Schnellschuss war das, allerdings einer, der saß. Wehmütige Lagerfeuerromantik gepaart mit spleenigem Schamanismus.

Schon erstaunlich, was einem alles so einfallen kann, wenn man eigentlich nur noch den Vertrag mit der mittlerweile unliebsamen Plattenfirma, in diesem Fall der EMI, erfüllen will. "Wir haben uns da nicht mehr wohl gefühlt. Alle wurden plötzlich gefeuert, viele Leute, mit denen wir lange zusammen gearbeitet haben." Strich drunter. Universal ist jetzt ihr neuer Arbeitgeber.

Dafür bleibt Borlänge ihre Konstante. Das neue Album "Give Me Fire" ist sehr urban geworden. Es handelt von der Kraft, aus der Trostlosigkeit ausbrechen zu wollen, einfach irgendwo anders zu landen als in diesem Kaff.

Klingt das Ganze depressiv? "Weiß Gott nicht! Dieser Drang hat etwas sehr Befreiendes." Und scheint sich bei Mando Diao in waschechter Disco-Musik zu entladen. Das heißt nicht, dass nun die billigen Synthie-Bässe stampfen. Den Beat geben weiter Gitarre, Schlagzeug und Bass vor, diesmal aber getrieben von symphonischen Streichereinlagen, schwebenden Background-Chören und Big-Band-Bläsern in bester James-Last-Manier.

Bringt also alles nichts. Wir müssen noch mal zurück zu Boney M. Wenigstens war das Quartett nicht die einzige Inspiration. "Wir haben viel James Brown gehört, auch Al Green und The Cure." Okay, aufatmen. Bis der nächste Schlag in die Magengrube kommt: "Und diesen Song von Baccara, ,Yes Sir, I Can Boogie’. Kennst Du den?" Klar, auch wenn man sich wünschen würde, es nicht zu tun.

Zur Erinnerung: Baccara waren zwei spanische Damen mit waldfeenhafter Choreografie, die mit besagtem Hit 1976 die europäischen Hitparaden dominierten. "Diese Geigen", schwärmt Norén weiter. "Die wollten wir auch." Sie haben sie bekommen.

Am Schluss dann doch die Frage, was mit Abba ist. Schließlich haben wir es mit Schweden zu tun. "Klar, die spielten auch eine Rolle, auch wenn ich zugeben muss, dass ich Abba bis vor vier Jahren gehasst habe. Mittlerweile muss ich neidlos anerkennen, dass das wohl Pop-Musik in Perfektion ist." Und Mando Diao setzen diese Tradition fort. Also: Ab auf die Tanzfläche!

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