Udo im Kiez Lindenberg-Musical in Hamburg

Hamburg (dpa) - Auf der Bühne senkt sich der überdimensionale Hut ganz langsam - im Zuschauerraum wackelt der auf dem Kopf von Udo Lindenberg rekordverdächtig auf und ab. Hätte sich der 70-Jährige nicht vor langer Zeit mal für jenes Markenzeichen des Rockstars entschieden, würde man ihn an diesem Abend im Hamburger Operettenhaus kaum sehen.

Udo im Kiez: Lindenberg-Musical in Hamburg
Foto: dpa

Tief versunken sitzt er im Stuhl und schaut zu, wie für die Bühne noch einmal das neu in Szene gesetzt wird, was er für seine Karriere teils selbst inszeniert hat. Es sind die letzten Proben, bevor sein Musical am Donnerstag (10. November) dort Premiere feiert, wo es für Fans längst hingehört: in seine Wahlheimat Hamburg und vor allem auf die Reeperbahn. „Hinterm Horizont“ geht es auf St. Pauli weiter.

„Der Kiez hat mich wieder“, sagt Lindenberg. Mehr als fünf Jahre lang lief „Hinterm Horizont“ - benannt nach einem seiner größten Hits - seit der Uraufführung Anfang 2011 im Berliner Theater am Potsdamer Platz. Anhand der Songs des Deutschrockpioniers erzählt das Stück die Geschichte vom „Mädchen aus Ostberlin“, ein Lied, mit dem der Musiker aus dem westfälischen Gronau schon 1973 („Wir wollen doch einfach nur zusammen sein“) gegen die deutsche Teilung angesungen hatte. Im „Panical“, wie der Panikrocker das Musical lieber nennt, trifft er seine ostdeutsche Liebe erst zehn Jahre später beim Konzert im Palast der Republik, das Lindenbergs einziger DDR-Auftritt bleiben sollte. Eine zum Teil autobiografische und zum Teil fiktive Geschichte erzählen die Macher rund um den Rockstar.

Wie bei der Berliner Inszenierung führt Ulrich Waller Regie. Mehr Hamburg-Bezug soll das Stück haben, drei Songs - zwei vom aktuellen Album sowie der Klassiker „Reeperbahn“ - wurden neu eingebaut, insgesamt sind es 29. Waller (60), Intendant des nur wenige Meter entfernten St.-Pauli-Theaters, sitzt während der Probe am Pult, immer wieder klettert Lindenberg über Stuhllehnen, um sich mit ihm zu beraten. Fotografin Tine Acke (39) hat ganz vorn Platz genommen. Seine „Komplizin“, wie der Sänger sie nennt, will die Proben im Bild festhalten, vor allem den „neuen“ Udo: Alex Melcher, der auch schon in Berlin als Udo auf der Bühne stand, wird in der Premiere die Hauptrolle übernehmen.

Ursprünglich war mit Josephin Busch und Serkan Kaya die Berliner Premierenbesetzung vorgesehen, doch dann stürzte Kaya bei Proben aus fünf Metern Höhe auf die Bühne. „Genau an der Stelle im Stück ist der Unfall passiert“, erzählt der Original-Udo, als Bühnen-Udo Alex gerade auftritt. Serkan sei wieder raus aus dem Krankenhaus, müsse aber noch aussetzen. Mit Alex ist er mehr als zufrieden. Als dieser in Udo-Manier loslegt - „Hallöchen, DDR“ nuschelnd, im speziellen „Lindi-Gang“ leicht taumelnd und das Mikrofon durch die Luft wirbelnd - grinst der echte Udo zufrieden. „Yeah, gut, der Junge!“, ruft er, lacht immer mal leise vor sich hin oder singt gleich mit.

Wäre er nicht lieber selbst auf der Bühne? „Bin ich ja bald wieder. Erst kommt noch die DVD von der letzten Tour, dann geht es schon bald wieder los.“ Seit dem Comeback 2008 sei er ein „echter Glückspilz“, erzählt der Rockmusiker, „alles, was ich seitdem anpacke, läuft“. Nummer-Eins-Alben, Stadiontourneen und das Musical hat er vorgelegt. Ein Kinofilm über ihn und seinen „westfälisch-amerikanischen Traum“ sei in Planung und könnte 2019 starten. Das Musical hat der Konzern Stage Entertainment offiziell nur bis Sommer nächsten Jahres angesetzt. Lindenberg selbst will daran nicht glauben: „5 plus“, lautet sein Tipp - fünf Jahre habe er auch für Berlin vorausgesagt.

Doch erst einmal steht die Premiere auf St. Pauli an. „Ich möchte gern, dass der repräsentative Kiez dabei ist, also Olivia Jones, Corny Littmann und sein Schmidt-Theater und die ganzen Experten aus Institutionen wie dem "Pulverfass", der "Ritze" oder "Susis Showbar"“, erzählt der Musiker. Auch sein Ex-Bodyguard Eddy Kante, der inzwischen Kiez-Führungen in der Crew von Dragqueen Olivia Jones anbietet, ist eingeladen. „Die Zankereien zwischen uns sind beigelegt, Eddy ist happy mit dem, was er jetzt macht“, sagt Lindenberg und nimmt einen Zug aus der Zigarre. Über seinem Hut steigt weißer Rauch auf, während auf dem Bühnen-Hut Udo und sein Mädchen gerade vom vereinten Deutschland träumen.

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