Klavierfestival Ruhr: Ungleiche Perfektionisten im Vergleich

Maurizio Pollini und Krystian Zimerman beweisen beide Gipfel-Niveau, aber auf unterschiedliche Art.

Duisburg. Maurizio Pollini und Krystian Zimerman verbindet zwar viel, etwa der musikalische Perfektionismus oder der Sieg beim renommierten Warschauer Chopin-Wettbewerb (Pollini: 1960, Zimerman: 1975), aber die Pianisten verfolgen eine grundverschiedene Klangästhetik.

Unergiebig zu fragen, wer von beiden nun der Bessere ist, denn auf dem Gipfel-Niveau entscheidet über eine Präferenz nur noch der persönliche Geschmack, etwa wie bei sehr teuren Sportwagen oder erlesenen Weinen. Beim 20. Klavierfestival Ruhr gab es nun Gelegenheit, beide Musiker relativ kurzfristig (mit drei Tagen Abstand) hintereinander zu erleben, im selben Saal, der Duisburger Mercatorhalle.

Die Perfektion des in der Schweiz lebenden Polen Zimerman zeigt sich in einem Klavierspiel, das gereinigt scheint von allen Zufälligkeiten. Dazu gehört vor allem ein sehr akkurater Anschlag, voll, weich, doch mit festem Kern und ein transparentes Klangbild, in dem nicht eine Note umnebelt wirkt. Ludwig van Beethovens letzte Klaviersonate, c-Moll op. 111, entfaltet unter Zimermans Händen etwas ungemein Nobles.

Der 51-Jährige verzichtet auf titanischen Aplomb zugunsten einer Klangveredelung, durch die jedes musikalische Element, sei es nun ein dynamisch zurückgenommener Akkord oder ein funkelnder Triller, einer höheren Sphäre zu entstammen scheint.

Wild Virtuoses des polnischen Spätromantikers Karol Szymanowski, Variationen über ein Volkslied, wirkt bei Zimerman wie durch ein Wunder gebändigt. Zwar rauschen die Töne in hoher Dichte aus dem schwarzen Steinway-Flügel, doch Zimerman wird den Fluten so souverän Herr wie der alte Hexenmeister in Goethes "Zauberlehrling".

Neben Zimerman wirkt der Norditaliener Pollini, dem die Neigung zum Lampenfieber nachgesagt wird, etwas weniger gelassen. Im ersten Augenblick des cis-Moll-Préludes op. 45 von Frédéric Chopin, mit dem Pollini den Abend beginnt, fällt der wenig abgefederte, härtere Anschlag auf und eine leichte Verspanntheit. Der 66-Jährige, dem nun der diesjährige Preis des Klavierfestivals verliehen wurde, zeichnete sich schon immer durch eine akribische Notentreue aus, verbunden mit einer makellosen Spieltechnik.

Und Pollini strahlt den hohen Anspruch an sich selber aus. Aus der äußeren Präzision erwächst aber eine innige Darbietung von ungeheurer Spannung. Denn alle das Werk prägenden Details können aufgrund ihrer genauen Abbildung die volle Wirkung entfalten. Chopins dramatisches h-Moll-Scherzo reißt dadurch enorm mit. Und die Interpretation der Préludes (Band 1) von Claude Debussys frappiert durch die Synthese aus Exaktheit und musikalischer Geheimnisfindung. Stehende Ovationen für beide Ausnahme-Pianisten im jeweils ausverkauften Saal.

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