Kings Of Leon: Das Song-Wunder aus Tennessee

Ihr großer Erfolg vor zwei Jahren hat die Erwartungen in schwindelnde Höhen getrieben. Doch die Kings Of Leon halten dem Druck mit ihrem neuen Album stand.

Düsseldorf. Sie kommen aus Tennessee. Und was aus Tennessee kommt, das muss einfach gut sein. Kaum ein Staat in den USA ist so sehr mit Musik verhaftet wie die Heimat der Kings Of Leon: In Tennessee wurden schließlich Johnny Cash und Elvis groß. Die beiden, die den Rock auf den Weg brachten.

In den Sun-Studios von Sam Phillips in Memphis nahmen sie ihre bahnbrechenden ersten Songs auf und traten eine Welle los, von der sie damals nichts ahnten.

Eine ebensolche Welle haben die Kings Of Leon verursacht. Sie begann als kräftiger Strudel mit ihrem ersten Album "Youth And Young Manhood" (2003), auf dem das Quartett dem Südstaaten- und Garagenrock huldigte und ihn so wunderbar druckvoll spielte, wie er seit Jahren nicht mehr gespielt worden war.

Mit dem für eine so junge Band beinahe erschreckend abgefeimt klingenden "Aha Shake Heartbreak" (2004) und dem sogar von der journalistischen Elite von Spiegel bis Süddeutsche zu einer der besten Platten des Jahres 2007 gekürten "Because Of The Times" wurde die Welle zwar musikalisch weniger ungestüm, dafür aber in ihrer Öffentlichkeitswirkung groß und mächtig.

Vor zwei Jahren wuchs sie sich mit "Only By The Night" zum Stadionrock-Tsunami aus. Und jetzt kracht sie mit "Come Around Sundown", das am Freitag erscheint, mitten hinein ins Gesicht des Hörers.

Es gibt Bands, bei denen ist es bedauerlich, wenn sie aus dem Untergrund auftauchen und die Massen erreichen. Massenkompatibilität bedeutet zumeist auch Musik ohne Ecken und Kanten. Ohrwürmer zwar. Aber doch Musik, die nicht wirklich fesselt. Ohrwürmer sind halt Viecher, die man irgendwann auch gerne wieder loswerden würde.

Die Stimmen, die auf dem Wirkungszenit von "Only By The Night" mit all den ausverkauften Riesen-Arenen, den Nummer-Eins-Platzierungen, den Rund-um-die-Uhr-Radioplays und insgesamt drei Grammys vom drohenden Ende des Bandkultes sprachen, waren denn auch nicht wenige. Eigentlich standen die Kings Of Leon also vor der Quadratur des Kreises, als sie nach ihrem siegreichen musikalischen Feldzug wieder ins Studio gingen, um Album Nummer fünf einzuspielen.

Aber sie haben es geschafft. Die Söhne des Wanderpredigers, Caleb, Jared und Nathan Followill, sowie deren Cousin Matthew sind sogar noch besser geworden. Reifer und erwachsener klingen ihre neuen Songs. Was angesichts der Wucht, mit der sich etwa ihre Hit-Single "Sex On Fire" seinerzeit monatelang in die Hirnwindungen der Hörerschaft fraß und bohrte, nicht unbedingt zu erwarten war.

Besser konnte es danach eigentlich nicht mehr werden. Aber im Gegenteil: Auf "Come Around Sundown" vermischen die Kings Of Leon einmal mehr Melodien, die betören, mit rauen Schrammelklängen zu einem Sound, der zwar absolut in jedes Stadion passt und sogar einen Bono Vox neidisch machen dürfte. Der aber dennoch eine unterschwellige Indie-Attitüde ganz im Stil der Strokes besitzt und mittlerweile noch durchdachter als auf "Only By The Night" klingt.

Sie experimentieren wieder ein wenig mehr. Probieren aus. Und dank der wundervoll erdigen, sehr häufig dem ursprünglichen Blues verpflichteten Arrangements, dank der groben (und den Gerüchten nach wohl auch von reichlich Alkohol geschwängerten) Stimme Calebs, dank der Melodien, die trotz ihrer Schönheit niemals vorhersehbar oder gar kitschig werden, ist hier alles absolut eckig und kantig. Aber eben nicht sperrig.

Die Kings Of Leon sind mit "Come Around Sundown" endgültig zu einer Band geworden, die offenbar unfähig ist, auch nur einen schlechten Song zu schreiben. Wohlgemerkt: Über mittlerweile fünf Platten hinweg. Das ist zuletzt den Libertines gelungen. Davor den Smiths. Und davor vielleicht Elvis. Künstlern also, die es alle nicht mehr gibt.

Womit die Kings Of Leon konsequenterweise die einzige existierende Band sind, die nur gute Songs schreibt. Das ist verdammt respektabel für Predigersöhne. Aber man muss sich letztlich nur vor Augen führen: Die Jungs kommen aus Tennessee.

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