Henry, Adams, Rouse: Songwriter-Alben für den Herbst

Berlin (dpa) - Es schadet nicht, wenn man als Singer/Songwriter schon ein paar Jahre Erfahrung auf dem Buckel hat, denn dann gibt es auch mehr zu erzählen. Zum Herbst sind drei feine Alben erschienen, die diese These bestätigen.

Das beste stammt von Madonnas Schwager.

JOE HENRY heißt der Mann, der seit 25 Jahren als Songschreiber und Sänger nur eine Kultfigur, als Produzent jedoch einer der angesagtesten Sound-Veredler der US-Musikbranche ist. Auf seinem zwölften Album „Reverie“ erkundet der mit Madonna Cicciones Schwester Melanie verheiratete 51-Jährige die Grenzbereiche von Folk, Blues, Jazz und Gospel. Und man fragt sich, warum dieser Mann nicht auch als Solo-Künstler eine große Nummer ist.

Erneut schaffen es Henry (Akustikgitarre) und seine virtuose Band (Keefus Ciancia/Piano, David Piltch/Standbass und Jay Bellerose/Schlagzeug), mit wenigen Tupfern großformatige Bilder im Kopf des Hörers entstehen zu lassen. Wie schon auf den Meisterwerken „Scar“ (2001) und „Civilians“ (2007) entsteht eine völlig eigenständige, zeitlose Musik, die das US-amerikanische Erbe des 20. Jahrhunderts behutsam und geschmackvoll weiterentwickelt.

In 14 ausgeruhten, sparsam instrumentierten Liedern singt Henry zeitweise wie ein Tom Waits ohne chronische Halsentzündung und wüste Vokal-Manierismen. Seine sensible Crooner-Stimme führt durch den „Tagtraum“ - nichts anderes bedeutet „Reverie“ - dieses Albums. Hin und wieder hört man im Hintergrund Hunde bellen, die wohl in der Nähe des Studios herumtollten und die erdige Atmosphäre dieser Platte noch verstärken.

Jeder Ton ist am hier richtigen Platz, wie man das von Henrys zahlreichen, oft preisgekrönten Produzentenjobs (u.a. für Allen Toussaint, Elvis Costello, Aimee Mann, Solomon Burke oder Loudon Wainwright III) gewohnt ist. Die Qualität der Songs ist atemberaubend - man höre nur das Southern-Soul-Juwel „Odetta“, die berührende Ballade „Eyes Out For You“ oder das sehnsüchige „The World & All I Know“. Ganz große Kunst!

Während Joe Henry nur alle zwei bis drei Jahre Soloalben herausbringt und dadurch die Spannung seiner Fans hoch hält, tat RYAN ADAMS zuviel des Guten. Seine immense Produktivität mit elf Alben in ebenso vielen Jahren führte dazu, dass man bei ihm vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sah. Nicht immer war der Output so gut, wie man es diesem hoch talentierten Musiker eigentlich zutrauen konnte.

Mit seinem nach längerer Krise und überstandener Drogensucht entstandenen Album „Ashes & Fire“ meldet sich Ryan Adams - nicht zu verwechseln mit dem kanadischen Mainstream-Rocker Bryan Adams - nun eindrucksvoll zurück. Die überwiegend ruhige, zwischen Countryrock und Folkpop pendelnde Platte sendet die erfreuliche Botschaft, dass eines der größten Talente der amerikanischen Singer/Songwriter-Szene wieder auf Kurs ist.

Offenbar stabilisiert durch seine Ehe mit der Popsängerin Mandy Moore, hat Adams elf wunderschöne Lieder geschrieben, die an die Qualität der frühen Alben „Heartbreaker“ (2000) und „Gold“ (2001) anknüpfen. Das von einer Pedal-Steel-Gitarre verzierte „Come Home“ oder die Streicherballade „Rocks“ zeigen den 36-Jährigen von der sensibelsten Seite. Seine Stimme hat alle Exzesse erstaunlich gut überstanden, so dass man auf die mittlere Phase von Ryan Adams' Karriere sehr gespannt sein darf.

Dass privates Glück nach rastlosen Künstlerjahren durchaus noch feine Musik hervorbringen kann, beweist seit längerem auch der US-Singer/Songwriter JOSH ROUSE. Mit seiner spanischen Partnerin Paz Suay lebt der 39-Jährige aus Paxton/Nebraska inzwischen in Valencia. Das 25-minütige Minialbum „Josh Rouse And The Long Vacations“ (Bedroom Classics/ADA) hat der Sänger und Gitarrist mit spanischen Freunden eingespielt und schafft es, die hohe Qualität des Vorgängers „El Turista“ zu halten.

Rouse hat sich zuletzt von Samba, Afropop und anderen sonnigen Klängen inspirieren lassen, seine gute Laune ist auch jetzt wieder in den meisten der neun recht kurzen Tracks spürbar. Manchmal vermisst man die melancholische Schwere seines Meisterwerks „Nashville“ (2005), mit dem er hörbar verunsichert Abschied von der Heimat genommen hatte.

Andererseits hat Rouse sich nun eine freundliche Gelassenheit angeeignet, die nicht mit Seichtheit verwechselt werden sollte. Gitarrenpop-Lieder wie „Movin' On“ oder „Disguise“, der Bossa-Swing von „Fine, Fine“ oder die jazzige Klavierballade „Bluebird Street“ - das sind stilsichere Visitenkarten eines Songschreibers, der für fortdauernde Kreativität nicht todunglücklich sein muss.

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