Frank Turner: Bloß kein Stillstand, sondern Action

Frank Turner vereint Punk und Romantik, ohne gestrig zu klingen. Mit diesem konsequenten Stil spielt der Brite mittlerweile ganz oben mit.

Düsseldorf. Der Interviewtermin ist alternativlos: Entweder an diesem Tag, zu dieser Zeit — oder gar nicht. Frank Turner hat einfach zu viel zu tun. Selbst am Telefon klingt er gehetzt. Er redet so schnell, dass er Silben verschluckt.

Früher war Bob Dylan der einzig Rastlose auf „Never Ending Tour“, auf ewiger Tournee. Seit 2007 aber, seit Turner sein erstes Album veröffentlichte, eifert er seinem Idol mehr und mehr nach und hatte sogar lange keinen festen Wohnsitz.

„Letztens hatte ich endlich mal zwei Wochen nichts zu tun“, sagt er. Kein Konzert, keinen Studiotermin, gar nichts. Hat er da nach sechs Jahren des Dauer-Rotierens denn mal gefaulenzt? „Nein!“ Er lacht. „Ich habe schnell eine kleine Band gegründet und ein paar Gigs gespielt.“

Und jetzt hat Turner auch noch sein fünftes Album rausgebracht, dessen Songs demnächst bei Konzerten in aller Welt gespielt werden. Schon in der ersten Singleauskopplung „Four Simple Words“ fordert der 31-Jährige es mit diesem typisch scheppernden „Folk’n’Roll“ heraus: „I want to dance.“ Ich will tanzen!

Bloß kein Stillstand, sondern Action. Auch die übrigen elf Stücke zeigen einen Künstler, der es wissen will. Wobei das ja schon bei den Vorgängerscheiben so war: bei „Sleep Is For The Week“ (2007), „Love Ire & Song“ (2008) und „Poetry Of The Deed“ (2009).

Und erst recht beim Album „England Keep My Bones“ (2011). Das machte den Briten über seine Heimat hinaus zum Star. Denn: Auf ihm verkündete Turner so wunderbar eingängig und rotzfrech, dass es der Rock’n’Roll ist, der die Menschen davor bewahrt, ihre Seelen an den Teufel zu verlieren. So klingt nur jemand, der wirklich versessen ist auf Musik und alles andere hintenanstellt.

Deshalb heißt das neue Album auch „Tape Deck Heart“. „Dieser Name trägt die Musik in sich“, sagt Turner. „Kassettenrekorderherz“. Das erinnere ihn an die Zeit, als er selbst anfing, Musik zu hören. Als er daheim am Rekorder Mix-Kassetten aufnahm, die er mit Freunden tauschte oder an Frauen verschenkte, in die er sich verknallt hatte. „Natürlich mit Springsteens ,Born to run’ als erstem Song“, betont er und schwärmt von diesem leidenschaftlichen Schrei nach Ausbruch aus der piefigen Provinz und dem Albtraum der Spießigkeit.

Turners Albtraum — neben dem Vater, der so streng auf Etikette achtete und dabei selber jahrelang eine heimliche Liebschaft hatte — war das Elitecollege im englischen Eton, das Turner auf Wunsch seiner Eltern besuchte. „Ich habe dort alle gehasst für ihre Angepasstheit“, sagt er und klingt dabei noch immer so, als müsste er mal kräftig ausspucken.

Aus Trotz gründete er mit ein paar Freunden eine Punkband, spielte auf Schulfesten, wurde ausgebuht — und blieb gerade deshalb dem Punk als Sinnbild des Auflehnens treu: „Alles, was ich mache, jeder Song geht darauf zurück.“

In der Tat. Zwar ist seine letzte Punkband, Million Dead, seit 2005 Geschichte und Turner mittlerweile ein Star, der vor 12 000 Menschen in der Wembley-Arena sowie vor 80 000 bei der Eröffnung der Olympischen Spiele auftritt. Aber er wird längst nicht mehr ausgepfiffen, sondern bejubelt, weil die Menschen — egal ob in Nietenjacke oder Anzug — gerade Turners rebellische, aus dem Leben gegriffene Texte lieben.

Auch die Songs auf „Tape Deck Heart“ werden sie mitgröhlen, in denen Turner sich über Rockstargetue auslässt, seelische Beziehungsnarben verarztet oder einfach nur zugibt, dass er mal wieder irgendetwas abseits der Musik verdaddelt hat. Manche dieser Songs singt Turner übrigens so schnell, wie er am Telefon spricht. „Ich bin eben hyperaktiv. Das muss alles raus“, erklärt er und lacht wieder.

Aber irgendwann muss er doch auch mal verschnaufen, oder? „Naja, ich habe morgen einen freien Tag“, sagt er. „Vielleicht klappt es ja dann.“

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