Folk: Neues Sophia-Album - Zurück ins Schritt-Tempo

Sophia bleiben auf ihrem fünften Studioalbum der gepflegten Melancholie treu. An manchen Stellen lässt Bandleader Robin Proper-Sheppard sogar Hoffnung aufkeimen.

Düsseldorf. Robin Proper-Sheppard, dem Kopf von Sophia, ein Lächeln zu entlocken, scheint nicht einfach zu sein. Streift man durchs Netz, auf der Suche nach alten Bildern, stößt man immer wieder auf den gleichen todtraurigen Ausdruck im Gesicht, der mittlerweile schon fast so etwas wie das Markenzeichen des Musikers geworden ist.

Selbst aus den Zeiten seiner ersten Band, The God Machine, gibt es nur Fotos, auf denen Proper-Sheppard einfach nur reglos starrt. Ein wissender, durchdringender Blick, mehr nicht.

Viele Rockstars versuchen sich an solchen Posen und sehen dann doch nur aus wie ein verzweifelt um Bedeutung ringender Boulevard-Magazin-Moderator. Proper-Sheppard ist einer der wenigen, bei denen diese Haltung nicht gekünstelt wirkt. Eine Maske hat er nicht nötig.

Verlust und Leere kennt er aus eigener Erfahrung, und nicht etwa aus postpubertär-verquerer Theorie, die zwar schon manchen guten Rocksong, aber selten ein stimmiges Gesamtwerk zutage brachte.

Bei Proper-Sheppard ist der Tod ein roter Faden, der sich konsequent durch seine Arbeit mit Sophia zieht, besser noch: sie einwickelt, ohne ihr die Luft abzuschnüren, so viel Leben atmet aus ihr.

Sein Jugendfreund und Bandkollege Jimmy Fernandez starb 1994 an einem Hirntumor, kurz vor Fertigstellung des zweiten God-Machine-Albums, quasi "von heute auf morgen", wie Proper-Sheppard dann immer mit stiller Erschütterung feststellt.

Mit Fernandez beerdigte er auch deren gemeinsames Bandprojekt und den schroffen, anklagenden, punklastigen Musikstil, den sie gepflegt haben.

Alles, was danach unter dem Namen Sophia kam, war Verarbeitung - sensibler, wehmütiger Folk, der trotz aller Nabelschau in Sachen Trauer vollkommen kitschbefreit daher kam. Proper-Sheppard war aus seiner Heimat Kalifornien nach Großbritannien geflüchtet. Auch dieser Ortswechsel bezeichnend:

Das sonnengeflutete, lärmende San Diego tauschte er gegen das neblige, distinguierte London ein. Er gründete ein Plattenlabel, Flower Shop Records, baute junge Künstler auf, verpflichtete sie im Gegenzug als Studio- und Tourmusiker für Sophia. Bis heute hat die Band keine durchgehende Besetzung erlebt. Seit dem Tod des Freundes prägen Bindungsängste Proper-Sheppards musikalische Arbeit.

Die Songs, die er für die ersten drei Alben schrieb, sind von Streichern durchsetzte, getragene Country-Requiems. Nur selten lässt er seine Kompositionen Schritt mit dem Leben halten, das in Zeitraffer an ihm vorbeizieht, während er nach dessen Sinn sucht.

Zur wuchtigen Wut findet er erst 2006 zurück, als seine Mutter an Krebs stirbt. Diesmal bricht sich die Trauer nicht als Melancholie ihre Bahn, sondern als nackter Zorn. Das Album "Technology Won’t Save Us" wird ein unruhiger, erschütternder Soundtrack zur Verzweiflung eines Mannes, der den Tod und seine Willkür nicht akzeptieren will. Endgültig wird die Musik zu Proper-Sheppards Ventil.

Mit diesem Furor noch im Ohr, wirkt das fünfte Album, das gestern erschienen ist, fast wie Linderung. Sophia sind mit "There Are No Goodbyes" wieder im Schritt-Tempo angelangt. Abgeklärt, fast versöhnlich und sogar hoffnungsbereit klingen die zehn Songs. Wie ein Aufbruch, nicht unbedingt freudestrahlend, aber doch neugierig.

Die Insichgekehrtheit bleibt Proper-Sheppards Triebfeder, wenn er mit seiner leicht näselnden Stimme über gescheiterte Beziehungen und unumkehrbare Momente singt. Diesmal folgen auf den Sturm aber tatsächlich Sonnenstrahlen. Die tiefe Trauer hat er hinter sich gelassen. Willkommen im wahren Leben.

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