Konzert Eric Clapton in Köln: Der will doch nur spielen

Eric Clapton tritt nach vier Jahren wieder in Deutschland auf — und setzt dabei mit der Würde des Alters vor allem auf den Blues.

Konzert: Eric Clapton in Köln: Der will doch nur spielen
Foto: Thomas Brill

Köln. Eric Clapton könnte ohne Weiteres auch als leicht schüchterner Erdkundelehrer durchgehen. Als solcher würde er wahrscheinlich erst am dritten Tag der Klassenfahrt ganz nebenbei sagen: „Ach, übrigens, ich kann auch Gitarre spielen.“ Dann würde er sich ein Instrument greifen und einfach anfangen — und am Ende der Nacht hätten die Schüler ein völlig anderes Bild von ihm.

Größer könnte der Unterschied nicht sein am Montagabend in der ausverkauften Kölner Lanxess-Arena. Floy, Sängerin der fluffigen Soul-Vorgruppe „Floy and the Messengers“, müht sich nach Kräften, das Publikum schon mal auf Betriebstemperatur zu bringen, und spult dafür annähernd das gesamte Animationsrepertoire aus der Krosschublade der Rock- und Popgeschichte ab. Eine Stunde später kommt Clapton auf die Bühne, ausgebeulte Jeans, schlichtes blaues Hemd, hebt kurz den Arm zum Gruß, hängt sich seine Stratocaster um — und legt los.

So bleibt das für die folgenden gut anderthalb Stunden: Der 73-Jährige singt und spielt. Und spielt und singt. Wenn es bei seinem ersten Auftritt in Deutschland seit vier Jahren showtechnisch zum Äußersten kommt, schließt er die Augen, legt den Kopf leicht in den Nacken und deutet eine Bogenspanne an. Irgendwann im letzten Drittel des Konzertes, als das Gefühl wächst, dass es alles in allem rund läuft, gesellt sich ab und an ein Lächeln dazu.

Seine Ansprache der 14 000 Besucher beschränkt sich auf ein gelegentliches „Danke“ und den ein oder anderen Musikernamen seiner Begleitband. Mehr hat er nicht zu sagen. Man hört schließlich alles. Und sieht es auch: Der will doch nur spielen. Man sieht, dass Clapton eigentlich nicht auf der Bühne zu Hause ist, sondern auf den 22 Bünden seiner E-Gitarre. Und dass er niemandem mehr etwas beweisen muss.

Darum spielt er das, was ihm offenkundig derzeit am meisten Spaß macht. Der geschniegelte Pop-Clapton — Vergangenheit. Überhaupt sind in Köln nur zwei eigene Stücke zu hören und noch einmal drei von Bands, in denen er einst Mitglied war. Der Rest sind Coverversionen und es dominiert das Bluesschema. Das macht das Konzert bisweilen etwas weniger heimelig.

Und dem Blues kann bei all seinen Verdiensten um die Musikgeschichte in der Häufung auch etwas Ermüdendes anhaften. Das nun allerdings weiß Clapton durch sein einzigartiges Gitarrenspiel zu verhindern. Ihm ist es nie darum gegangen, auf dem Griffbrett Geschwindigkeitsrekorde zu brechen. Er will mit seinem singenden Stratsound Geschichten erzählen. Und das macht er verdammt gut, immer noch.

Wieder und wieder sind auf den Leinwänden seine Hände in Nahaufnahme zu sehen. Das hat etwas Rührendes, weil es erkennbar die Hände eines alten Mannes sind — und damit Hände, die selbst Geschichten erzählen: von seinen frühen Drogen- und Alkoholexzessen, von dem rassistischen Unfug, den er in den 70ern von sich gegeben hat („ekelhaft“, wie er heute sagt, und auch wirklich absurd angesichts seiner Musik und der Musiker um ihn herum), von einem Eric Clapton, der jenseits seiner Gitarren- und auch Sangeskunst genauso verwundet durchs Leben stolpert wie sein Publikum auch. Man bildet sich ein, das zu hören, wenn sich die Gitarrenläufe aus dem Nirgendwo aufbauen und irgendwann wieder im Nichts verschwinden wie ein in den Bart gemurmelter Satz, wie ein Seitenarm des Lebens, der ohne Ankunft geblieben ist. Oder wenn er seinen Kopf wie eine Robbe windet und dabei beim Singen intuitiv das richtige Timing findet für Nähe und Distanz zum Mikrofon.

Und Clapton hat um sich herum weitere musikalische Geschichtenerzähler versammelt, echte Typen eben. Den im Vergleich noch jungen Gitarristen Doyle Bramhall (49) beispielsweise, der eine ähnliche Alkoholkarriere hinter sich hat wie Clapton und seine Linkshändergitarre so originell wie virtuos mit umgekehrter Saitenfolge spielt. Oder den Keyboarder Chris Stainton, der sogar noch etwas älter als Clapton ist und auf dessen Rückhalt aus der zweiten Reihe von Joe Cocker über The Who bis zu Bryan Ferry schon so viele Rampenstars gezählt haben.

Und dann ist da im Akustikblock noch „Tears in Heaven“, diese Ballade, die auch durch millionenfaches Nachspielen einfach nicht zu verkitschen ist, weil die Verarbeitung des tragischen Unfalltods von Claptons vierjährigem Sohn auch 27 Jahre später als lebenslange Dauerwunde Respekt verlangt. Aber Clapton selbst nimmt dem Stück diesmal die Melancholie und bettet es ein in einen versöhnlich-entspannten Reggae-Rhythmus.

Es scheint, als habe er seinen Frieden gemacht: mit dem Unfall seines Sohnes, mit seinen eigenen Irrungen und Wirrungen, mit seinem Leben. Jetzt kann er in Würde alt sein — und nur noch spielen.

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