Episch: Cherry Ghost und The Trouble With Templeton

Berlin (dpa) - Fans epischer Popmusik haben sich einen Mai-Termin dick im Kalender angestrichen: das neue Coldplay-Album. Doch es gibt auf diesem Gebiet derzeit noch mehr zu entdecken - Cherry Ghost und The Trouble With Templeton bedienen ähnliche Vorlieben.

Episch: Cherry Ghost und The Trouble With Templeton
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So könnte „Herd Runners“ (Heavenly/Pias/Cooperative), das dritte Werk des Briten Simon Aldred unter dem Projektnamen CHERRY GHOST, auch Coldplay-Verehrer interessieren. Und überraschen, denn im Vergleich zu deren „Ghost Stories“ ist dies womöglich die bessere Platte. Aldred verfügt über eine fabelhafte weiße Soul-Stimme, die im Gegensatz zum Chris-Martin-Falsett nie in routiniertes Pathos abdriftet. Und auch die Balladen von Cherry Ghost scheuen nicht vor Streicher-Bombast und Melodrama zurück, aber sie klingen viel weniger kalkuliert als manch typischer Coldplay-Schmachtfetzen.

Episch: Cherry Ghost und The Trouble With Templeton
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Mit „Herd Runners“, dessen Vorgänger „Thirst For Romance“ (2007) und „Beneath The Burning Shoreline“ (2010) in Großbritannien bei Kritik und Plattenkäufern schon recht erfolgreich waren, hat Aldred seine Kunst verfeinert: Eingängige, zu Herzen gehende Pop-Harmonien, die aber - wie bei den vergleichbaren Elbow aus Manchester - nie platt oder gar billig wirken, dazu Texte voller Wehmut und Mitgefühl. „Echte Empathie für die Menschen, über die ich schreibe“, das sei sein Ziel gewesen, und so liegen Herzschmerz und Hoffnung bei Cherry Ghost stets nah beieinander.

Nicht nur darin ähnelt dieses betörende Album den Werken von Richard Hawley. Auch dessen imposanter Bariton-Gesang stand bei Aldred gelegentlich Pate (beispielsweise im Country-Soul des Titelsongs), zudem wurde „Herd Runners“ in Hawleys Heimatstadt Sheffield von seinem Kumpel Colin Elliot mit vergleichbarer Grandezza aufgenommen.

Die Phil-Spector-mäßige Wall Of Sound, an der Elliot und Cherry Ghost für den Song „The World Could Turn“ mit wuchtigem Schlagwerk, fetten Strings und Bläsern bauen, gehört sicherlich schon jetzt zu den eindrucksvollsten Retro-Pop-Produktionen dieses Jahres. Aber auch für die anderen neun Cherry-Ghost-Lieder gilt: Warmherzig, wunderschön und künstlerisch wertvoll!

Auch THE TROUBLE WITH TEMPLETON, das junge Quintett um den Songwriter Thomas Calder aus dem australischen Brisbane, bietet auf „Rookie“ (Belle Union/Pias/Cooperative) Pop im großen Maßstab. Für Coldplay-Fans könnte Calders Stimme vertraut und reizvoll klingen, denn dieser Sänger sucht wie Chris Martin gern die höheren Register. Auch die melodiösen, kraftvollen Songs der Down-Under-Band mit ihren vielschichtigen Arrangements erinnern bisweilen an die UK-Stadionrocker.

Auf große Festival-Auftritte zielen The Trouble With Templeton beispielsweise mit dem arg simplen Stampfer „Like A Kid“, aber insgesamt ist dieses Album durchaus geschmackssicher produziert. Vor allem hört man bei den fünf Australiern genau jene Dringlichkeit, unverkrampfte Spielfreude und Energie, die mancher Coldplay-Fan der ersten Stunde inzwischen bei den Briten vermisst. „Rookie“ ist ein sehr angenehmes, solides Debüt, noch mit Luft nach oben, aber unzweifelhaft eine vielversprechende Talentprobe.

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