Carlos Santana macht’s anders

Der Star begeistert immer noch seine Fans – diesmal in der Düsseldorfer Philipshalle.

Düsseldorf. Die meisten seiner alten Weggefährten sind inzwischen entweder tot oder peinlich. Carlos Santana aber beweist, dass es auch anders geht. Pausenlos, zweieinhalb Stunden lang, zelebriert der 60-Jährige mit zehn weiteren Musikern auf der Bühne der Philipshalle in Düsseldorf das Leben einer Generation, der Woodstook-Generation.

Allein drei Schlagwerker hat er dabei, um den für ihn typischen Rhythmusteppich im Saal auszulegen. Mit jenen komplexen Kaskaden aus Trommelwirbeln zeigte der gebürtige Mexikaner schon Ende der Sechziger den weißen Hippies, dass amerikanische Musik nicht nur nördlich des Rio Grande zu verorten ist, sondern auch in der Karibik und in Rio gespielt wird.

Folgerichtig steht nicht nur ein englisch-, sondern auch ein spanischsprachiger Sänger an diesem Abend vor dem Mikro. Tony Lindsay repräsentiert die afroamerikanische, Andy Vargas die lateinamerikanische Stimme, beide mit Perfektion. Die eigentliche Stimme natürlich ist Santanas Gitarre, mal klagend, mal schreiend, immer singend. Das Wort Markenzeichen wäre eine schamlose Untertreibung.

Nach einer Stunde kommt die Rhythmuswalze zum Stehen. Endlich, möchte man unken, denn die Füße brennen allein schon vom Zugucken der ekstatisch Tanzenden im Publikum. Nur der sphärische Klang der Hammond-Orgel bleibt. Da beginnt Carlos Santana tatsächlich eine Predigt. Es ist von "Change" die Rede, auch von Segnung und Frieden.

Es klingt wie amerikanischer Wahlkampf, wie Baptistenkirche. Unter Tausenden von künstlichen Sternen spielt dazu einsam und cool Bill Ortiz, der Trompeter. Obwohl es Gerüchte gibt, dass Santana auf Hawaii eine Kirche errichten will, um dort sein eigener Pfarrer zu sein, ist das Ende seines Vortrages in Düsseldorf höchst weltlicher Natur. "Wirklich verehrungswürdig sind doch all die hübschen Frauen im Publikum", erklärt der bekennende Christ. Und dann spielt er mit seiner Band "Maria, Maria".

Ohne große Brüche kann er seine modernen Charterfolge an die Blumenkinderlieder heften. Die Fans von früher tolerieren die marktgängigen aktuellen Songs, tanzen mit, applaudieren. Gnädig gönnt man dem Musiker diese Art der Altersvorsorge. Dann aber, bei den ersten Klängen von "Black magic woman", explodiert die Stimmung.

Diejenigen mit den langen, grauen Haaren im Publikum schauen verklärt und mit leuchtenden Augen, als wären sie in einen Jungbrunnen gefallen. Zu "Oye C²³omo Va" werden sogar Fotos aus dem Bandalbum auf die Bühne projiziert. All die wilden Plattencover sind zu sehen, das Menschenmeer von Woodstock natürlich und auch der ganz junge Carlos mit Schnauzbart und wilder Löwenmähne.

All die Kollegen von damals, so scheint es, überleben in Santanas Konzerten. Manches erinnert an das jazzrockige Gebräu eines Miles Davis. Manches klingt wie ein Boogie von John Lee Hooker.

Nach dem Konzert schiebt ein Vater seine im Rollstuhl sitzende Tochter ins Freie. Wer von beiden mag wohl der Santana-Fan sein, die Zwanzigjährige oder der fast Sechzigjährige? "Beide", antwortet der Vater; "das vererbt sich."

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