Konzertkritik Ariana Grande singt gegen die Angst

Köln · Die Amerikanerin spielte in Köln vor ausverkauftem Haus. Aufgrund der Terrrorgefahr durften Fans die Lanxess-Arena nur mit transparenten Tüten betreten.

 Ariana Grande entführte ihr Publikum in ihre pinke Musikwelt.

Ariana Grande entführte ihr Publikum in ihre pinke Musikwelt.

Foto: Kevin Mazur/Getty Images for AG/Kevin Mazur

Köln. Der frenetische Jubel ist ohrenbetäubend laut, als Ariana Grande am Sonntagabend die Bühne in der Lanxess-Arena betritt. Mit „Raindrops (an Angel cried)“ eröffnet sie ihr rund 90-minütiges und ausverkauftes Konzert. Der Song ist Sinnbild für die schlimmen Erfahrungen, die die 26-jährige US-Amerikanerin gemacht hat. Die Bilder vom Terroranschlag bei ihrem Konzert in Manchester 2017 sind ihr noch immer präsent – mehr als 500 Verletzte und 22 Tote hat es damals gegeben. Nur ein Jahr später verlor sie ihren Freund, den Rapper Mac Miller, aufgrund einer Überdosis aus Drogen.

Noch heute leidet Ariana Grande unter Panikattacken und Depressionen, hat in Köln deshalb die geplante „Soundcheck-Party“ mit Meet and Greet abgesagt. Die Fans bekommen ihr Geld zurück – mit mehr als 400 Euro eine stolze Summe. Und auch die Sicherheitsbestimmungen rund um die Lanxess-Arena sind gewaltig. Spürhunde suchen das Gelände Stunden vor Konzertbeginn ab, in die Halle selbst dürfen nur transparente Taschen mitgenommen werden, die Besucher werden mit Detektoren abgesucht. Die Fans stört das nicht, sie wollen Ariana Grande an diesem Abend mit aller Kraft unterstützen, ermutigen den 1,53 Meter großen Superstar mit lauten „Ari, Ari“-Rufen auf die Bühne zu kommen.

Als es soweit ist, kennt der Jubel keine Grenzen mehr. Und Ariana Grande singt als wäre es das normalste der Welt. Ihre Show ist bis ins kleinste Details durchgeplant, nicht spektakulär, aber unterhaltsam. Der Laufsteg der Bühne führt einmal durch den Innenraum, bildet einen Halbkreis, in dessen Mitte ihr „VIP-Publikum“ immer wieder die Hände nach der Sängerin mit dem langen Haar ausstreckt. Auf der Hauptbühne selbst hängt eine riesige Leinwand, auf die verschiedene Mond- und Weltraumlandschaften projiziert werden.

Eine perfekte Show,
ohne große Gefühle

Und zwischendurch werden darauf Videos aus Kindheitstagen gezeigt. Nämlich dann, wenn Ariana Grande mal wieder eines ihrer pastelligen Outfits wechselt, die meist aus einem Kleid und kniehohen Lackstiefeln mit sehr hohen Absätzen bestehen. Diese Sequenzen sind für Ariana gleichzeitig auch Verschnaufpausen.

Die Amerikanerin liefert an diesem Abend eine perfekte Show, ohne große Gefühlsregungen zu zeigen. Wie es im Kopf der 26-Jährigen aussieht, lässt sich nur erahnen. Aber es dürfte sie noch immer viel Mut kosten, durch das Publikum zu schreiten, um in dessen Mitte auf einer runden Mini-Bühne zu singen. Auch hier ist sie umringt von ihren Tänzern. Und man fragt sich unweigerlich, ob diese nicht auch eine Art Schutzwall für den Popstar bilden. Wer könnte es Grande verübeln? Es zeugt doch von Stärke, dass sie überhaupt noch die Bühnen dieser Welt betritt. Alles andere wäre aber auch zu schade. Denn hier ist sie in ihrem Element, wenn sie die Tonleiter innerhalb von vier Oktaven rauf und runter klettern kann, wenn sie zuckersüß ins Mikrofon säuselt, dass sie vieler Emotionen bedarf („Needy“) oder mit kräftiger Stimme voranbringt, dass Reichtum durchaus seine Vorzüge haben kann („7 Rings“).

Ariana Grande spielt an diesem Abend einen Mix aus ihren bisherigen fünf Alben. Sie konzentriert sich dabei aufs Wesentliche, große Ansagen ans Publikum oder Einblicke in ihren Gemütszustand sind Fehlanzeige. Die direkte Kommunikation mit dem Publikum beschränkt sich auf wenige Sätze, die eben bei keinem Konzert fehlen dürfen: „Toll, dass ihr alle da seid. Ich liebe euch. Ich hoffe, wir haben heute eine gute Zeit zusammen.“ Das überwiegend sehr junge, weibliche Publikum genießt den Abend trotzdem. Es jubelt wann immer Ariana Grande eine Atempause macht oder wieder einmal in die höchsten Tonlagen entschwindet. Und ganz zum Schluss kommt fast so etwas wie Partystimmung auf, als sie „Thank you, next“ anstimmt. Eine treibende Hymne, in der sie Erfahrungen mit ihren Exfreunden verarbeitet. Rein vom Titel könnte der Song an diesem Abend aber auch anders interpretiert werden. Einmal mehr hat Ariana Grande ihre Ängste überwunden, eine ausverkaufte Show gespielt. Danke ans Publikum, die nächste kann kommen – eben „Thank you, next“.

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