Amy Macdonald: Der Weltstar mit dem Kneipencharme

Auf ihrem zweiten Album bleibt die Schottin Amy Macdonald ihrem Kumpel-Image treu. Die Themen ihrer Songs sind aber reifer.

Sie ist jung, sie ist schön, sie ist erfolgreich. Gut, das sind viele. Doch niemand würde Amy Macdonald deshalb in einen Topf mit den Rihannas, Beyoncés oder Shakiras dieser Welt werfen. Warum? Sicher, ihre Kolleginnen im Popbusiness werden bewundert und begehrt. Amy Macdonald hingegen wird nur bewundert, nicht begehrt. Sie ist die, mit der man vor allem eines tun möchte: ein Bier trinken. Wer könnte sich schon Rihanna am Tresen vorstellen?

Von den nackten Zahlen her gehört die 22-jährige Schottin zwar eher ins Fünf-Sterne-Restaurant als in die schummrige Eckkneipe: Ihr Debütalbum wurde weltweit über drei Millionen Mal verkauft und brachte ihr Platin-Schallplatten im Dutzend ein. In Deutschland war sie die erfolgreichste britische Newcomerin der vergangenen Dekade - trotz Amy Winehouse - und hängte in den Charts Robbie Williams und Herbert Grönemeyer ab.

Aber: Als Mensch und Musikerin gehört Amy Macdonald in die Spelunke. Denn das ist der Ort, an dem sich die Menschen treffen und wo das Leben spielt. Und mitten im Leben steht auch sie. Das besagte schon der Titel ihres ersten Albums: "This Is The Life" ("Das ist das Leben"). Dafür stehen ihre Texte. Sie machen Amy Macdonald zu derjenigen unter den jungen Künstlerinnen, deren Kunst für jedermann jederzeit nachvollziehbar bleibt.

In den Songs von "This Is The Life" geht es um eine Jugend in Glasgow, die geprägt ist von der Jagd nach Träumen, von der Suche nach Liebe und vom Leben in den nächsten Tag hinein, der wahlweise der schönste oder tragischste ist. Die Schottin singt mit einer ungewöhnlich reifen Stimme und oft nur mit der akustischen Gitarre in der Hand von der "Youth Of Today", der Jugend von heute. Millionen Hörer wissen, was Amy Macdonald meint, wenn sie im Titelstück davon erzählt, am Morgen nach der Feier mit einem dicken Kopf aufzuwachen, in dem der Gedanke um die Frage kreist, in welchem Bett sie wohl am folgenden Abend landen wird.

Und sie ehrt mit der Ode "Poison Prince" ihr Idol, das sie erst zur Musik brachte: Ex-Libertines-Frontmann Pete Doherty. Nach einem seiner Konzerte, so erzählt Macdonald, saß sie mit Freunden beisammen, eine Gitarre und Bierflaschen machten die Runde. In diesem Moment wusste sie, was sie zu tun hat: sich hinsetzen und Songs schreiben.

Am nächsten Morgen lag ein Zettel mit dem Text zu "This Is The Life" neben ihrem Bett. Hand aufs Herz: Wer von den anderen jungen, hübschen und erfolgreichen Frauen heutzutage kommt denn noch auf diese romantische Art und Weise zur Musik?

Seit gestern nun steht Amy Macdonalds zweites Album, "A Curious Thing", in den Regalen. Und es ist anders. Weil es eine Musikerin zeigt, die gereift ist. Eine Musikerin, die nach dem unerwarteten Erfolg der vergangenen Jahre nicht einfach hingeht und Songs singt, zu denen Videos gedreht werden, in denen eine ewig jung gebliebene Göre mit dem Gesäß wackelt.

Nein: Amy Macdonald ist um eine Reflexion ihrer selbst bemüht, wenn sie von einem "Ordinary Life" und einer "Troubled Soul" singt oder erklärt "What Happiness Means To Me". Außerdem ist der rohe Singer-Songwriter-Sound des ersten Albums verschwunden. Anstelle der dominierenden Akustikgitarre prescht nun eine ganze Band - verstärkt durch Wave-Ikone Paul Weller - durch die Arrangements.

Zugegeben: Das klingt manchmal ein wenig glatt und wird den ein oder anderen Hörer der ersten Stunde zunächst einmal abschrecken. Aber das ist doch immer schon so gewesen: Damals, in den 60ern, wollten die Leute schließlich auch keinen elektrischen Dylan hören.

Mit dem Textbuch in der Hand dürfte jedem ganz schnell klar werden, dass sich hier im Grunde genommen nichts geändert hat. Amy Macdonald sitzt immer noch mit einem an der Theke und trinkt Bier und macht vollkommen zu Recht auf Alles-Versteherin. Nur die Themen, über die sie mit einem redet - die sind ein wenig erwachsener geworden.

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