Medien in NRW Medienkompetenz in NRW ohne Presse?

Der NRW-Landtag und die Landesregierung veranstalten einen „Tag der Medienkompetenz“. Die Medien, die in NRW die meisten Menschen erreichen, sind nicht dabei: Zeitungen und Lokalradios.

Auf dem Foto sind die Teilnehmer des Empfangs für die Chefredakteure der nordrhein-westfälischen Medien durch Landtagspräsident André Kuper am 7. Juni 2018 versammelt.

Auf dem Foto sind die Teilnehmer des Empfangs für die Chefredakteure der nordrhein-westfälischen Medien durch Landtagspräsident André Kuper am 7. Juni 2018 versammelt.

Foto: Landtag NRW

Dass Politik es im Kampf um Aufmerksamkeit und Bürgerinteresse schwer hat, und Landespolitik noch einmal schwerer als Bundes- und Lokalpolitik, brachte Landtagspräsident André Kuper (CDU) im Sommer auf eine Idee: Der Inhaber des höchsten parlamentarischen Amts in NRW lud erstmals ausdrücklich die Chefredakteurinnen und Chefredakteure der NRW-Lokalradios und der Regionalzeitungen zu einem Empfang. Das Ziel: Mehr Aufmerksamkeit für die Arbeit des Landesparlaments erzielen.

Anschließend verschickte Kuper ein Erinnerungsfoto nebst Dankschreiben: „Ich hoffe, dass deutlich wurde, dass ich die Sicherung ihrer Rolle als ,Vierte Gewalt‘ für unsere parlamentarische Demokratie für zwingend halte und uns im Landtag daher sehr an einer konstruktiven Zusammenarbeit mit Ihnen gelegen ist.“ Wie weit es damit her ist, können die Teilnehmer beim heutigen „Tag der Medienkompetenz“ überprüfen, den der Landtag mit Unterstützung der Landesregierung heute veranstaltet, durchgeführt vom Grimme-Institut. Das könnte eine Mammut-Veranstaltung mit entsprechendem Publikums-Zulauf sein, da NRW das Bundesland mit der größten Dichte von Tageszeitungen und Lokalradios ist.

Das Programm des Tages
hat das Grimme-Institut erstellt

Stattdessen findet der „NRW-Medienkompetenztag“ in einem Bundesland, das Sitz von 39 Zeitungsverlagen mit 40 Tageszeitungen (verkaufte Auflage: 2,26 Millionen Exemplare) und mit Radio NRW (45 Lokalsender) des reichweitenstärksten Radio-Programm Deutschlands ist, ohne einen einzigen Vertreter der Tageszeitungen und der Lokalradios statt. Auftreten werden stattdessen Landtags- und Ministerpräsident, acht Vertreter von ARD und WDR, Dutzende Vertreter subventionierter Vereine (Sekteninfo, Verbraucherzentrale und andere) und natürlich Sprecher der Landtagsfraktionen. Zu diesen Experten in Sachen Medienkompetenz gehört auch AfD-Fraktionsvize Sven Tritschler, der bei Twitter schon mal ein gefälschtes Brecht-Zitat verbreitet oder im Interview offen die Unabhängigkeit der ARD-Tagesschau-Redaktion in Abrede stellt, indem er behauptet: „Natürlich wissen die Führungskräfte, was von ihnen erwartet wird.“

Immerhin der medienpolitischen CDU-Sprecherin Andrea Stullich hätte die Abwesenheit von Zeitung- und Lokalfunkkompetenz auffallen können. Bis 2017 war sie Chefredakteurin bei Radio RST im Kreis Steinfurt. Landtag, Landesregierung und Grimme-Institut brauchten Tage, um die Frage zu beantworten, was für eine Sorte von Medienkompetenz ihrer Auffassung nach denn ein solcher Tag vermittelt, wenn nicht ein einziger namhafter Vertreter von 40 NRW-Tageszeitungen und 45 NRW-Lokalsendern – also den reichweitenstärksten Medien des Landes – dabei vertreten ist. Ein Landtagssprecher erklärte, Vertreter von Print- und Rundfunk-Medien sollten nach Auffassung des Landtags „aufgrund der Bedeutung dieser Medien für die Entwicklung von Medienkompetenz“ zu den Referenten dieses Tags gehören, „darauf wird im Hinblick auf zukünftige Veranstaltungen hingewirkt“.

Ansonsten wies der Landtag ebenso wie ein Sprecher der Landesregierung („Ihr ist die wichtige Rolle der Verlags- und Rundfunkmedien in Nordrhein-Westfalen bewusst“) darauf hin, dass das Programm das Grimme-Institut zusammengestellt habe. Dessen Absicht, bei der künftigen Ausrichtung des Tags der Medienkompetenz „dafür Rechnung zu tragen, dass Vertreter dieser Medien als Referenten teilnehmen können“, begrüße die Landesregierung ausdrücklich. Damit wird sie die Lacher in den Verlagen und Radiohäusern auf ihrer Seite haben. In etlichen Chefredaktionen von NRW-Medien ist der Drang nicht sonderlich ausgeprägt, mit dem Grimme-Institut gemeinsame Sache zu machen: der Kompetenz-Verdacht gegenüber dem Volkshochschul-Institut in Marl, das aus Mitteln des Rundfunkbeitrags finanziert und von der früheren Justiziarin der Grünen-Landtagsfraktion, Frauke Gerlach, geführt wird, ist – höflich gesprochen – nur begrenzt vorhanden. Aufsichtratsvorsitzender von Grimme ist WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn.

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