Zeichnung wie ein Mückenschwarm

Graubner überrascht mit Papierarbeiten in Morsbroich.

Leverkusen. Gotthard Graubner ist eine Großer der Kunstszene. Die Bilder des 80-Jährigen erzielen Preise bis 800.000 Euro für ein Großformat, wenn man die Kölner Kunstmesse zum Maßstab nimmt.

Was die Sammler fasziniert, sind die offenen, moussierenden und vibrierenden Farbräume auf seinen Bildern. Doch nun zeigt der Mitgestalter und Bewohner der Museumsinsel Hombroich kleinformatige Zeichnungen. Sie sind im Schloss Morsbroich ausgestellt und erstaunen durch ihre Vitalität.

Es ist der erste Überblick über eine rund 60 Jahre währende Schaffensperiode. Wie alle Studenten aus Ostdeutschland begann auch Graubner nach dem Zweiten Weltkrieg in Dresden realistisch, skizzierte mit der Feder den Kopf der Mutter, den Cellospieler und die eigene Hand. Erste Baumreihen zeigen zeitgleich flüchtige Rhythmen und Bleistiftschraffuren.

Spannend wird es, als er die DDR verlässt und in Düsseldorf studiert. Die Aktzeichnungen von 1956 und 1957 sind keine Abbilder der Figur. Vielmehr wird der Körper in kurze, divergierende Striche aufgelöst. Die Linien skizzieren kaum noch die Silhouette, sie verwandeln den weiblichen Akt in Energiebündel.

Um 1957 entstehen zugleich erste „Raumzeichen“, indem er den Kreidestift in voller Breite über das Papier zieht, mal stärker und mal schwächer aufdrückend. In den 80er Jahren flirren die Linien, entwickeln Gespinste, die an Mückenschwärme erinnern.

Wie die kleinen Tiere hin und her sausen, so tun es Graubners farbige Stifte. Sie erzeugen wimmelnde Partien, aber auch ruhige Leerstellen. Konzentration und Auflösung, Räumlichkeit und Freiformen, der Prozess von Systole und Diastole, das sind nun seine Themen. Dabei ist es egal, ob dies in gigantischen Kissenbildern oder auf kleinen Papierbögen geschieht.

Zur Ausstellung erscheint im Düsseldorfer Richter Verlag ein Standardwerk über Graubners Zeichnungen, bearbeitet von Graubners Lebensgefährtin Kitty Kemr und begleitet von einem Text des Grafik-Spezialisten Erich Franz. Es kostet 25 Euro an der Museumskasse.

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